Was genau ist Geld und wie definiert sich sein Wert? Zur Entstehung des Geldsystems gibt es mehrere Theorien, die des in logischen Kategorien fundierten Äquivalententausches ist nur eine davon. Barbara Eder berichtet.
Als Marco Polo in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nach China kam, entdeckte er dort nicht nur Schießpulver und Kohle, sondern auch erste Ableger des Papiergeldes. Die Form gewordene Wertgröße bestand aus Teilen des Maulbeerbaumes, gewonnen aus einer Schicht der äußeren Rinde. Eine ganze Schar von Beamten versiegelte das auf diese Weise erzeugte Wertpapier – und wer sich weigerte, es anzuerkennen, konnte mit dem Tod bestraft werden. Die Einführung des Geldsystems ging nicht ohne Gewalt vonstatten und bewirkte eine entscheidende Zäsur: Fortan wurden nicht länger Naturalien gegeneinander getauscht, deren Wert über den Umweg eines Maßes – Kilogramm, Stückzahl oder andere Werte – objektiviert werden konnte; stattdessen begann das Geld die Sphäre des Naturalientausches zu bestimmen und löste nach und nach alle gängigen Zahlungsmittel ab – etwa Gold, Silber, Kupfer, Eisenbarren, Perlen oder Salz.
Geld als Wunsch und Wille
Die Erfindung des Geldes hat nicht nur die Formen des Zusammenlebens verändert, sondern auch fundamentale Kategorien menschlichen Denkens: So etwa stellte der Philosoph Alfred Sohn-Rethel im Rahmen seines im August 1936 verfassten Luzerner Exposés einen Zusammenhang zwischen den Grundformen logischen Denkens und der Einführung des Münzgeldes um 680 vor Christus fest: Mit der Aristotelischen Begründung der Aussagenlogik um 300 vor Christus sind sprachliche Sätze nicht mehr nur in semantischer Hinsicht von Bedeutung, sie können auch in Teilaussagen zerlegt und mit numerischen Werten – Eins für wahr, Null für falsch – belegt werden: eine Voraussetzung für die Herausbildung eines Wertmaßes. Sohn-Rethel leitet daraus ab, dass mit der Ausweitung der Zirkulationsphäre jener Größe aus Metall, die wir Geld zu nennen pflegen, eine Veränderung der menschlichen Bewusstseinstätigkeit einhergehe – unklar bleibt jedoch, was vorher vorhanden war, logische Kategorie oder bare Münze.
Durch Geld wird einem Tauschobjekt ein Wert beigemessen. In einer voll entfalteten, kapitalistischen Gesellschaftsordnung kennt der Preis für dieses Objekt jedoch keinen realen Gegenwert mehr. Der Tausch von Äquivalenten steht dabei nicht länger an der Tagesordnung – weder im Bewusstsein der Warenproduzent*innen noch am globalen Marktplatz des Finanzsystems. Repräsentiert als Zahlenkolonne auf Computer-Monitoren, wird Geld nicht nur zur immateriellen Größe, sondern hat Wert und Zweck zunehmend in sich selbst. Das erkannte auch der englische Utilitarist John Stuart Mill, der bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Geldbesitz eine der stärksten Triebfedern des menschlichen Lebens erkennen zu können glaubte – und den Wunsch, es zu besitzen, als bedeutsamer erachtete als die Möglichkeit, davon jemals Gebrauch zu machen.
Geld im 20. Jahrhundert
Bereits das 20. Jahrhundert hat vornehmlich immaterielle oder kaum mehr materialisierbare Formen des Geldes hervorgebracht, Giral- und Fiat-Geld sind nur zwei der dazugehörigen Ausprägungen. Fiat-Geld wurde mit Ende des 2. Weltkriegs eingeführt, es erfüllte jedoch die Voraussetzung für den durch staatliche Edelmetall-Vorräte gedeckten Goldstandard nicht. In seiner stofflichen Substanz verfügt Fiat-Geld weder über Gold- noch Silberanteile, in sich ist es vollkommen wertlos. Nicht das Material, sondern das Vertrauen, das in sie investiert wurde, machte diese Währung zu einer bedeutsamen Größe, so auch in der Weimarer Republik. Auf die hohen Reparationszahlungen mit Ende des 1. Weltkriegs reagierend, entstand dazumal eine Flut von frischem Papiergeld, die eine Hyperinflation auslöste.
Bei Giral-Geld handelt es sich um Geld, welches das Guthaben der Kund*innen in den Büchern von Banken bezeichnet. Im Gegensatz zum Fiat-Geld hat es nie stoffliche Substanz besessen – es ist nicht mehr als ein Eintrag in der elektronischen Datenbank eines Finanzunternehmens und kann von Privatbanken per Tastendruck erzeugt werden. Die Kund*innen des dazugehörigen Geldinstituts gehen stets davon aus, dass das, was auf ihren Girokonten liegt, einem realen Gegenwert entspricht – in der Tat handelt es sich dabei jedoch um eine Schuldverschreibung der Bank. Diese behauptet, sie könne jederzeit unter allen Umständen die am Konto verzeichneten Geldscheine geben – und belässt ihre Kund*innen damit in der Illusion, jederzeit liquide zu sein. Im Gegensatz zum Giral-Geld hat das Bargeld noch am ehesten eine reale Entsprechung: Seine Menge wird durch die jeweiligen Zentralbanken reguliert und – vereinfacht ausgedrückt – an die jeweiligen Geschäftsbanken verteilt.
Krypto- statt Psychoanalyse
Der Wiener Psychoanalytiker Sigmund Freud sah sich in seinem Text Charakter und Analerotik von 1908 dazu veranlasst, das Horten von Geld zu einer Psychopathologie zu erklären. Die infantile Verwechselung von Kot und Geschenk bewirke später eine sogenannte analcharakterliche Disposition. Der dazugehörige Persönlichkeitstypus zeichne sich durch ein hohes Maß an Sparsamkeit aus. Bereits in frühester Kindheit habe der Analcharakter es verabsäumt, sich von seinen Exkrementen zu trennen. Als Erbe des mittelalterlichen ‹Dukatenscheißers› verwandle er seine Exkremente bis heute auf erfolgreiche Weise in Geld. Wenn Freud zufolge «das Gold, welches der Teufel seinen Buhlen schenkt, sich nach seinem Weggehen in Dreck verwandelt», dann haben wir es mit einem Analcharakter zu tun.
Theorien wie diese waren immer schon empiriefrei – und vielleicht ist es auch deshalb an der Zeit, die Psychoanalyse durch die Kryptoanalyse zu ersetzen. Jene Währung, die derzeit das staatliche Monopol auf Gelderzeugung vehement durchbricht, heißt Bitcoin. Die Krypto-Währung, die auf der Blockchain-Technologie basiert, kommt aus der Steckdose und hat als Hacker-Währung ihren Siegeszug begonnen. Mit digitalen Münzen wie diesen kann man Online-Services ebenso kaufen wie Waffen – gegenüber dem Gekauften verhält auch dieses Zahlungsmittel sich indifferent. Es wird nicht durch eine Schuldverschreibung geschaffen, sondern elektronisch erzeugt. Reich wird man mit dem Schürfen von Bitcoins – dem ‹Mining› – jedoch nur selten und auch die im Vorfeld benötigten Hardware-Investitionen lohnen sich nicht immer. Gold ist eben nicht alles, was glänzt; nicht selten ist es schwarz – und stinkt zum Himmel.
Mit einem Comic von Stephan Gasser.