Kahlschlag, Kürzungen, Hinhaltetaktik – eine Rundumschau über die Kehrtwende der Kulturpolitik in der Stadt Salzburg von Stefanie Ruep.
Die Weltkulturstadt Salzburg feierte heuer hundert Jahre Salzburger Festspiele und hat gleichzeitig eine Kehrtwende in der Kulturpolitik zu verkraften. Seit die ÖVP in der Stadt an der Macht ist, lässt sie ihre Muskeln spielen – mit blauen Augen für die freie Kulturszene. Wegen parteipolitischer Machtkämpfe werden Förderungen ohne finanzielle Not gestrichen oder Entscheidungen auf die lange Bank geschoben.
Zuletzt ließ die schwarze Stadt die Kultur in der Coronakrise zappeln. Während Kulturbetriebe monatelang geschlossen waren und Kulturarbeiter*innen die Lebensgrundlage genommen wurde, blieb der Amtsbericht für ein Corona-Hilfspaket erst einmal über einen Monat am Schreibtisch von Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) liegen. Der Stadtchef argumentierte einmal mehr mit Kostengründen, die Finanzabteilung müsse den Bericht überarbeiten.
Dabei war für das Hilfspaket nicht einmal zusätzliches Geld nötig, es konnte durch Umschichtungen aus dem Kulturbudget gestemmt werden. Die Verwaltung begrüßte das Paket, um zu verhindern, dass Fördergelder für verschobene Veranstaltungen zurückverlangt werden müssten. Am letztmöglichen Termin wurden die Corona-Maßnahmen schließlich doch noch im Ausschuss beschlossen.
Neues kulturpolitisches Klima
Das Corona-Krisenmanagement ist nur eines von vielen Puzzlesteinen im schlechten Bild: Nur neun Tage nach der Angelobung des neuen Gemeinderats im Juni 2019 versenkte Bürgermeister Preuner mit der Rauchmühle ein kulturelles Leuchtturmprojekt, obwohl das jahrelang geplante Kulturzentrum mit Proberäumen und Werkstätten im Übereinkommen stand, das ÖVP, SPÖ und die grüne Bürgerliste zwei Wochen zuvor unterzeichnet hatten. Den Stopp des Projekts begründete der neugewählte Bürgermeister und Finanzreferent mit einer in einem Amtsbericht errechneten Kostensteigerung von ursprünglich elf auf 21 Millionen Euro.
Im Dezember wurde dann dem ressortverantwortlichen Kulturstadtrat Bernhard Auinger (SPÖ) der finanzielle Handlungsspielraum eingeschränkt. Wegen einer Änderung in der Geschäftsordnung kann er seither nur noch über Förderungen bis zu 7.000 Euro – statt bisher bis zu 10.000 Euro – selbst entscheiden. Für alles darüber benötigt Auinger einen Beschluss des Ausschusses, in dem die Volkspartei die Mehrheit stellt.
Am Förderungsgängelband kann man unbequemen Kultureinrichtungen zeigen, was bei Kritik passiert. So wurden der Interessenvertretung von 78 Kultureinrichtungen, dem Dachverband Salzburger Kulturstätten, auf Betreiben der ÖVP Ende Jänner 10.500 Euro der städtischen Förderung gestrichen. Es folgten weitere Kürzungen in der Freien Szene: Der Verein SUPER, der leerstehende Räume an Kunst- und Kulturarbeiter*innen vermittelt, verliert 5.000 Euro Förderung. Auch dem TAKE THE A-TRAIN–Festival sollten 5.000 Euro Förderungen durch die Tourismusgesellschaft gekürzt werden. Das Kulturressort sprang ein und stockte die Förderung aus dem Kulturbudget auf.
Ende Februar 2020 setzte die ÖVP zusammen mit der FPÖ die Jahresförderung für das unabhängige Kulturzentrum MARK aus, obwohl die 60.000 Euro im Budget 2020 bereits beschlossen waren. Dafür nutzte Preuner sein Dirimierungsrecht, demzufolge bei Stimmengleichheit die Stimme des Bürgermeisters doppelt zählt. Die Fördersumme wurde nicht ausbezahlt, der Akt zurück ins Amt geschickt. Für das MARK entstand eine existenzbedrohende Situation. Der Aufschrei war groß, die Medien orteten einen neuen Kulturkampf in der Stadt. Erst im Stadtsenat am 31. März wurden die 60.000 Euro Jahresförderung schlussendlich gegen die Stimmen der FPÖ beschlossen.
Allianzen & Selbstverständnisse
Fragt man bei den anderen Stadtparteien nach, wer in der ÖVP diese Anschläge auf die Kulturszene zu verantworten hat, so kommt als Antwort meist: Christoph Fuchs. Der Gemeinderatsklubchef der ÖVP, von vielen auch „Schattenbürgermeister“ genannt, neigt zu parteipolitisch motivierten Alleingängen und schmiedet die nötigen Allianzen. Bürgermeister Preuner ist dabei weniger der Kultur-Verhinderer, sondern hat vielmehr einen betriebswirtschaftlichen Blick. Er sieht die Kultur als Kostenstelle und führt die Stadt wie ein mittelständisches Unternehmen. Deshalb wurde während der Coronakrise den Kulturinstitutionen keine Soforthilfe zugesagt, sondern sogar überlegt, noch ausständige Projektförderungen vorerst nicht auszubezahlen.
Im Land haben der Grüne Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn und auch Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hingegen versucht, der Kultur schnell unter die Arme zu greifen. Jahresförderungen wurden frühzeitig ausbezahlt, zwei Millionen Euro zusätzlich aufgestellt und Arbeitsstipendien ausbezahlt. Bevor die Kulturbetriebe wieder öffnen durften, trafen sich Haslauer und Schellhorn mit Kulturarbeiter*innen zum Gespräch. Daraus entstand das neu geschaffene Festival Zwischenräume, das noch vor den Salzburger Festspielen die ganze Stadt zur Bühne machte und der Freien Szene Platz für abgesagte Veranstaltungen gab.
Im Zuge der Kürzungen in der Stadt bekam die freie Kulturszene auch Schützenhilfe von ganz oben. Dem Vernehmen nach dürfte sich Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler persönlich eingeschaltet haben. Für die Festspiele sind die Freie Szene und ihre Protagonist*innen freilich wichtig, da viele Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen im Sommer auch Mitarbeiter*innen bei Salzburgs größtem Kulturbetrieb sind.
Die ÖVP sieht die Freie Szene jedoch nicht als Bereicherung für die kulturelle Vielfalt oder gar als touristischen Faktor wie die Festspiele, sondern offenbar nur als Kostenfaktor. Auch das neue Tourismusleitbild 2025 bleibt bei Mozart und den Festspielen hängen. Es wurde im Mai gegen die Stimmen der Bürgerliste, Neos, FPÖ und KPÖ beschlossen. Kulturstadtrat Auinger kritisierte im Vorfeld noch, dass die freie Kulturszene darin zu kurz komme, stimmte dann aber mit.
Obschon der alte Kulturkampf zwischen Hochkultur und Freier Szene aufgelöst zu sein scheint – die städtische Volkspartei sehnt ihn sich herbei. Salzburg ist als Kulturstadt mehr als die Festspiele. Der Stadt-ÖVP müsste das jemand erklären.