Über die Endlichkeit

Das Thema ist Ende, sagt die KUPF, und zu mir: Schreib uns doch was über Faschismus und ich so Oje und dann so Ich mach’ ja auch was anderes.

Über das möchte ich schreiben: über Frau G., ihren Mann, über meine Arbeit und über die Liebe.

Weil Brötchen verdien’ ich im Journalismus, aber das, was man so draufschmiert, in der Altenpflege. Seit über 20 Jahren oder ungefähr 900 Verstorbenen. Alle haben großartige Geschichten. Am meisten mag ich die von Frau G., obwohl oder weil sie ganz einfach ist. Sie hat sie mir nicht erzählt, weil sie nichts erzählt hat, aber die Bilder in ihrem Zimmer haben sie mir erzählt. Über ihre Liebe.

Das erste war das Hochzeitsfoto. Kurz nach dem Krieg, Was war das für eine Aufbruchsstimmung, man sieht es ihnen an. Das Glück. Die Fotos mit den Kindern. Das selbstgebaute Haus. In den 70ern der erste Urlaub, in Jesolo oder Jugoslawien oder so. Die beiden immer zusammen, fast immer umarmt. Ein Foto von ihm in den Bergen, stolz blickt er in die Linse und die Ferne und auf seine Liebe. Die beiden am Christkindlmarkt. Die ersten Enkerl. Dann so ein Jubiläums- oder Runder-Geburtstags-Foto. Vielleicht die Goldene Hochzeit? Jedenfalls waren sie schon alt. Sein Blick sagt Ich hatte viel Glück in meinem Leben aber auch Was wird jetzt kommen. Ängstlich.

Das hohe Alter. Die beiden im Garten. Er hat Geburtstag. Sie und die Kinder (auch die schon ergraut) heben das Sektglas. Er nicht. Er hat ein Kapperl auf, das irgendwie so Setz dem Opa ein Kapperl auf sonst kriegt er einen Sonnenbrand ausschaut. Seine Augen, die immer vor Glück gestrahlt haben, sind jetzt leer, die Mimik ist weg, und sein Mund steht halboffen, nicht weil er gerade etwas sagt, sondern weil er eigentlich gar nicht mehr weiß, was hier so abläuft und Wer ist eigentlich das Mensch mit der Kamera? Sie schaut ernst. Ahnend, es ist sein letzter Geburtstag.

Das letzte Foto. Nur er, nur sein Name, in Stein gemeißelt, sein Grabstein.

Sie war dann noch ein paar Jahre alleine, sie hat nichts mehr geredet, sie ist nur mehr da gewesen, inmitten dieser ganzen Fotos, wartend auf das Ende. Seinen Tod hat sie vergessen. Ihr Leben hoffentlich nicht. Ich war gern bei Frau G. und den Bildern.