Laut EU-Kommissionsvertreter Sylvain Pasqua gibt es keine magische Formel für die europäische Dimension. Verena Humer sieht das anders.
Heute steht Europa mehr denn je auf dem Prüfstand: Eingerissene Zäune werden wieder errichtet, Bürger*innen klammern sich an Nationalismen und Abspaltungen sind keine Dystopie mehr. Der Titel ‹Kulturhauptstadt Europas› (KHS) kann dagegen helfen.
Eine KHS soll für alle zugänglich sein, Inputs von Innen und Außen in produktive Prozesse umwandeln und gleichzeitig regionale Besonderheiten in den Fokus rücken. Die österreichischen Bewerberinnen für 2024 haben das vor: Vorarlberg bezeichnet sich ob des Viel-Länder-Ecks als «Mini-Europa», Oberösterreich sieht sich als kulturelle «Inklave Europas», Niederösterreich verortet sich «Mitten in Europa».
Das ist gut, denn dass einer der Grundpfeiler für eine erfolgreiche KHS-Bewerbung auch die ‹Europäische Dimension› ist, war nicht immer so. Konnte man sich bei Linz09 mit einer Idee wie dem Musiktheater und dem Verweis auf eine rege Freie Szene (ohne diese jedoch ernsthaft einzubinden!) noch erfolgreich bewerben, braucht es mittlerweile mehr EU-Vision. EU-Parlament und Rat zielen mit den 2014 aktualisierten Vorgaben darauf ab, ein Europa der Regionen zu stärken und kontinentale Vielfalt sichtbar zu machen.
Spricht man von einer Europäischen Dimension, muss man aber auch fragen, was ‹Europa› heute eigentlich ist. Man hört wahlweise vom vielgelobten Friedensprojekt oder von einem seelenlosen Handelsabkommen. Stattdessen brauchen wir endlich ein transnationales Kulturverständnis mit Blick in die Zukunft. Wie wollen wir 2024 leben? Welchen Herausforderungen (Klimakrise, Digitalisierung usw.) werden wir uns stellen müssen? Kollaborationen sind auf verschiedenen Ebenen nötig. Stadt, Land und Zivilgesellschaft müssen kooperieren, diverseste Communities und Stammtische müssen aktiv miteinbezogen werden. Die europäische Kultur setzt sich schließlich nicht nur aus weißen, reichen, heterosexuellen Menschen zusammen. Wollen wir in einer echten, nachhaltigen KHS leben, müssen wir es allen ermöglichen mitzugestalten. Hier kann die Freie Szene neue Möglichkeiten aufzeigen: Transnationalität, Visionen, Digitalisierung, ernstgemeinte diversifizierte Kollaborationen – all das macht sie seit Jahrzehnten vor! Man kann nur hoffen, dass die drei Bewerberinnen das auch erkannt haben. Die Formel für eine Europäische Dimension ist keineswegs magisch, sie ist menschlich.