Die Vergabe des Titels für eine österreichische ‚Kulturhauptstadt Europas 2024‘ steht bevor. Es bleibt ein Wettbewerb um das stimmigste Konzept mit der größten europäischen Relevanz. Christoph Thoma kommentiert Bewerbungsprozess und Gewinnchancen der Finalistinnen.
Den prestigeträchtigen Titel bekommen mittlerweile Städte, die kommunale Entwicklungspotenziale aufzeigen. Ein Paradebeispiel ist das dänische Århus, das zum Titeljahr 2017 den Hafen mit dem DOKK1 zu einem kulturellen Begegnungsort und das Aros Museum mit dem Rainbow-Panorama von Olafur Eliasson zu einem Hotspot gemacht hat.
Bürger*innen sollen mitreden
Viel ist entsprechend die Rede von Bürger*innenbeteiligung, selten wird sie in die Praxis umgesetzt. Bad Ischl / Salzkammergut und «Dornbirn plus» binden in der Erarbeitung der übergeordneten Kulturstrategie regionale Akteur*innen ein, setzen jedoch im Bewerbungsverfahren auf externe Beratung etwa von ehemaligen KHS-Macher*innen von Ruhr.2010. Bemerkenswerterweise ging die Bewerbungsidee in St. Pölten ausschließlich von Kulturakteur*innen aus, die über Monate, unabhängig von der Haltung der Politik, als Plattform an dieser Idee gearbeitet hatten.
Die Rolle der Landespolitik
Ein weiteres Plus für die St. Pöltener Bewerbung stellt die Unterstützung der Landespolitik dar. Insbesondere der Schulterschluss zwischen Stadt und Land hat gezeigt, dass Kulturpolitik über Parteigrenzen hinweg neue Energien freisetzen kann. Eine gemeinsam erarbeitete Kulturstrategie belegt das. Erstaunlich ist auch die Entwicklung im Salzkammergut. So hat beispielsweise die Bezirkshauptstadt Gmunden den Weg zurück in den Bewerbungsprozess gefunden. Ein Indiz dafür, dass der regionale Charakter ohne Kirchturmdenken eine KHS-Bewerbung positiv aufladen kann. Diesen Umstand hat auch das Land Oberösterreich als Pluspunkt der Bewerbung erkannt und unterstützt, nach anfänglichem Zögern, mittlerweile die Bewerbung.
Spezifikum: Ohne das kulturelle Zentrum Bregenz
Ganz anders stellt sich das in Vorarlberg dar. Die Bewerbung wurde 2015 von Bregenz aus gestartet. Die Kultur- und Festspielstadt lud die Rheintalstädte Dornbirn, Feldkirch und Hohenems sowie die Regio Bregenzerwald ein, in einer Arbeitsgruppe die Frage des ‹Needs›, also die Sinnhaftigkeit und die möglichen Effekte einer Bewerbung, zu erarbeiten, sowie die Idee einer ‹Rheintalstadt› zu erörtern. In den Augen der Landeshauptstadt blieb der Prozess erfolglos. Im Frühjahr 2017 verabschiedete sich Bregenz aus dem Bewerbungsprozess. Auch das Land Vorarlberg hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass dieses Format nur schwer mit der 2016 vorgestellten Kulturstrategie des Landes kompatibel ist. Das Land möchte zum jetzigen Zeitpunkt insbesondere bestehende Projekte internationalisieren und damit stärken. Trotzdem setzt Dornbirn diesen Prozess ambitioniert fort und will mit grenzüberschreitenden Ideen auch Städte wie St. Gallen (CH) und Friedrichshafen (D), aber auch die großen Kulturtanker der Landeshauptstadt (Bregenzer Festspiele, Kunsthaus Bregenz) von der KHS-Idee überzeugen.
Wer holt sich den Titel?
In Bezug auf die Gesamtfinanzierung, den politischen Rückhalt und die kulturelle Infrastruktur geht St. Pölten aus der Poleposition in das Finale. Liest man jedoch den EU-Jury-Report der ersten Runde, wird rasch klar, dass Bad Ischl / Salzkammergut den größten ‹Need› formuliert hat. Dornbirn präsentiert hingegen das überzeugendste künstlerische Konzept, das auf europäische Vernetzung und Internationalisierung aufbaut, einige Leuchtturmprojekte ermöglichen und mit einem «Mutausbruch» einen kulturellen Wandel im ‹Ländle› einleiten will.
Die Chancen sind für alle drei Städte schlussendlich gleich gut.