Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht von tauenden Permafrostböden, horrenden Waldbränden, dem Rückgang der Biodiversität und schwindenden Lebensräumen hören. Die meisten von uns sind angesichts dieser beunruhigenden Nachrichten durchaus besorgt, bleiben aber dennoch erstaunlich gelassen. US-Starautor Jonathan Safran Foer ergründet in seinem neuen Buch Wir sind das Klima!, das an den Bestseller Tiere essen (2010) anknüpft, genau diese paradoxen Widersprüche: Wir konsumieren weiterhin tierische Produkte, obwohl wir wissen, dass die industrielle Nutztierhaltung eine der Hauptverursacher*innen des menschengemachten Klimawandels ist. Wir roden Wälder, obwohl wir wissen, dass Bäume rund ein Viertel aller von Menschen produzierten CO2-Emissionen absorbieren. Das Problem ist laut Foer nicht, dass wir zu wenig über die Ursachen und Folgen der Klimakrise wissen – sondern dass wir sie nicht vollständig ‹glauben› wollen. Uns falle es leichter, apokalyptische Katastrophenszenarien auszumalen, statt die derzeitige existenzielle Krise, die die Ärmsten dieser Welt als Erste trifft, als veränderbaren Prozess zu begreifen. Kurzum: Es geht um eine ‹Glaubenskrise›. Und in einer solchen brauche es nicht bloß ein Mehr an Recherche, Fakten und Zahlen (die Foer allesamt in seinem Buch liefert). Gleichermaßen bedürfen wir ‹Geschichten›, die den «Abstand zwischen Bewusstsein und Gefühl» verringern, so Jonathan S. Foer, der hier selbst ein paar unbequeme Geständnisse ablegt, in denen sich wohl viele von uns wiedererkennen können.
Doch wie ‹erzählt› man die Klimakrise? Foer gelingt dies auf unerwartete Weise, indem er unterschiedlichste Geschichten zu einem großen Ganzen zusammenführt: das Apollo-Raumfahrtprogramm, Putzerfische und die USA im Zweiten Weltkrieg, die Civil Rights Bewegung und nicht zuletzt seine persönliche Familiengeschichte, die eine des Überlebens der Shoah ist. Und der Autor formuliert auch gleich einen konkreten wie simplen Lösungsvorschlag, um der Klimakrise zu begegnen: nur einmal täglich tierische Produkte essen. Wir sind das Klima! ist keine politische Analyse, keine Untersuchung ökonomischer und sozialer Strukturen. Und doch bilden diese den Hintergrund eines dringlichen Appells, der nach Möglichkeiten kollektiven Handelns im individuellen Alltag sucht und dabei ein alternatives Narrativ entwickelt, das Widersprüchlichkeiten und Zweifel erlaubt.
Jonathan Safran Foer: Wir sind das Klima! Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können.
Kiepenheuer & Witsch 2019, 336 Seiten, ISBN 978-3-462-05321-0