KUPF trifft KEP

Der Salzburger Kulturentwicklungsplan (kurz KEP) ist das Äquivalent zum Kulturleitbild Oberösterreich (kurz KLB) und gilt als Erfolgsgeschichte. Verena Humer hat Andrea Folie und Karl Zechenter aus Salzburg zum KEP befragt und dabei Wissenswertes für Oberösterreich herausgefunden.

Verena Humer: Man hört, dass der Entwicklungsprozess in Salzburg sehr gut verlaufen ist. Wie gestaltete sich dieser denn genau?

Karl Zechenter: Zunächst wurde Thomas Philipp vom Linzer Institut für qualitative Analysen (LIquA) mit dem Prozess beauftragt. Er fuhr durch ganz Salzburg und erstellte eine 300-seitige Übersicht über alle kulturell tätigen Organisationen. Dann wurden Interviews mit 40 bis 50 Expert*innen geführt, darunter viele Leute aus der freien Szene. In den Regionen wurden etwa 12 Workshops abgehalten, deren Ergebnisse transparent auf einer Website einsehbar waren. Alle Organisationen und Netzwerke aus dem kulturellen Bereich wurden aufgefordert, diesen Prozess publik zu machen und daran teilzunehmen. Die Beteiligung war daher breit und ergiebig.

Andrea Folie: Es wurden außerdem unterschiedliche Steuerungsgruppen gebildet, die intensiv eingebunden wurden und die sich die Expertise von jenen Leuten holten, die direkt in diesen Bereichen arbeiteten. Zechenter: Es gab vom Amt aus eine Steuerungsgruppe, die das Zusammenfassen und Protokollieren übernahm. Außerdem wurde eine größer aufgesetzte Steuerungsgruppe gebildet, von über 15 Personen aus verschiedenen Bereichen: darunter viele Vertreter*innen der freien Szene, eine Partizipations-Forscherin, eine Person vom Tourismus, einige Akteur*innen von der Volkskultur, usw. Auch der Landeskulturbeirat war vertreten und hat viel vorangetrieben. Die Festspiele waren zum Beispiel aber nicht in der Steuerungsgruppe.

Humer: Was waren eure konkreten Aufgaben?

Zechenter: In der Steuerungsgruppe werteten wir aus, welche Themen immer wieder vorkamen und worauf wir den Fokus legen sollten.

Folie: Meine Hauptaufgabe war es, während des Prozesses vor Ort vertreten zu sein und kulturpolitische Lobby-Arbeit in den Regionen zu gewährleisten. Ich informierte die Menschen entsprechend über die Workshops und darüber, wie sie sich einbringen können. Außerdem bestärkte ich sie darin, sich mit anderen Bereichen zusammenzuschließen.

Humer: Wie habt ihr es geschafft, dass es so eine rege Teilnahme an den Workshops gab?

Folie: Einerseits mobilisierte natürlich das Land selbst. Andererseits initiierte ich in dieser Zeit sogenannte Kultgespräche. Dadurch brachten wir – noch bevor der KEP startete – in jeder Region alle Leute, die irgendwie mit dem Dachverband oder dem Bildungswerk verbunden waren, zu Gesprächen zusammen. Hilfreich für die Mobilisierung war auch eine gewisse Verbindlichkeit, die durch die Anwesenheit des Landesrats bei jedem Workshop gegeben war.

«Leitbilder kann man ja relativ schnell erstellen. Die Frage ist, wie bzw. ob sie sich dann auf die Politik und auf die Kulturpolitik auswirken.»

Humer: Gab es anfangs bei den Menschen kein Unbehagen, keine Skepsis?

Zechenter: Anfänglich waren wir vom Dachverband schon skeptisch, da wir nicht wussten, wie ernst gemeint der Beteiligungsprozess wirklich war. Leitbilder kann man ja relativ schnell erstellen. Die Frage ist, wie bzw. ob sie sich dann auf die Politik und auf die Kulturpolitik auswirken.

Humer: Und war diese Skepsis berechtigt? Habt ihr während des Prozesses zum Beispiel bemerkt, dass Parteien eigene Interessen einbringen wollten?

Folie: Nein. Darauf ließ sich niemand ein. Man versuchte, sich gegenseitig nicht auseinander zu dividieren.

Humer: Was hat gut funktioniert?

Zechenter: Zum Beispiel die Kommunikation zwischen der autonomen Szene und den Politiker*innen.

Folie: Und der enge Austausch zwischen Beamt*innen, Dachverband und Landeskulturbeirat. Die Beamt*innen waren selbst bei jedem Workshop dabei. Man hat sich einfach immer wieder getroffen und nach und nach kennen gelernt –

Zechenter: – da wurde Sensibilität für die Arbeit der freien Szene geschaffen! Die offene Form der Kommunikationshaltung auf beiden Seiten steht jetzt auch im Leitbild. Wichtig ist, dass jeder Einblick in den Spielraum des anderen bekommt. Durch den KEP gibt es in Salzburg jetzt ein erhöhtes Bewusstsein dafür, dass Menschen, die im Kulturbereich arbeiten, das oft innerhalb eines erzwungenen Ehrenamtes tun und dass man diese Leute aus dieser Prekarisierung rausholen muss.

«Da wurde Sensibilität für die Arbeit der freien Szene geschaffen!»

Folie: In der Umsetzung galten entsprechend die ersten Maßnahmen der zeitgenössischen und der autonomen Szene. Es ging dabei um sichere Strukturen sowie die Finanzierung von fixen Stellen für Kulturarbeiter*innen. Dass die gleich umgesetzt wurden, hatte eben mit dem engen Austausch zu tun. Wir stellten fest: Entweder schafft man bezahlte Personalstellen und investiert in diese Art der Professionalisierung, oder die ehrenamtliche Arbeit versandet, da sie ohne feste Strukturen nicht viel Auswirkung und Sichtbarkeit in der Region hat. Die direkte Konsequenz daraus ist: Es gibt unterschiedliche Vereine, die jetzt finanziert werden, damit dort Personalstellen entstehen, die professionell arbeiten können.

Humer: Wurde in Salzburg auch das Thema Fair Pay aufgegriffen?

Zechenter: Fair Pay steht so nicht im KEP. Eine Zielaufgabe ist es aber, dass es faire Bezahlung geben soll. Das Land hat Geld in die Hand genommen, um mehrjährige Verträge besser auszustatten oder mehrjährige Verträge mit unterschiedlichen oder mehr Institutionen auszuhandeln.

Folie: Oft sind zu niedrige Einstufungen in Förderanträgen das Problem. Aus Angst, dass das eigene Projekt sonst nicht gefördert wird, kalkuliert man für sich selbst zu wenig Budget ein. Es braucht hier ein allgemeines Bewusstsein für realistische Löhne – von Fördergeber*innen- und Fördernehmer*innenseite.

Humer: Inwiefern wirkt sich der KEP auf die Förderpolitik des Landes Salzburg aus?

Folie: Die Kommunikation ist sehr transparent. Wenn man eine Förderung einreicht, kann man mit dem KEP argumentieren: «Mein Projekt fördert diese und jene Punkte des KEP.» Umgekehrt argumentieren auch die Beamt*innen auf Grundlage des KEP.

Humer: Was kritisiert ihr vom heutigen Standpunkt aus?

Folie: Man merkt schon jetzt, dass größere Kulturzentren in die Regionen drängen. Einerseits ist das großartig, andererseits muss man aufpassen, die großteils ehrenamtlich arbeitenden, regionalen Organisationen, die diesen Austausch unterstützen, nicht zu überfordern. Zudem läuft man Gefahr, dass Gruppen aus der Region nicht mehr gezeigt werden, weil bei den großen und bekannten Gruppen aus der Stadt mehr Publikum kommt. Da müssen in der Region Strukturen und Personalstellen geschaffen werden, bevor der Stadt-Land-Austausch so stark geführt wird.

Humer: Inwieweit habt ihr im Vorfeld auf das oberösterreichische KLB, das ein paar Jahre zuvor erstellt worden war, geschaut?

Zechenter: In Salzburg fokussiert man sich sehr stark auf einen zentralen Raum, während die kulturellen Zentren in Oberösterreich besser über das gesamte Bundesland verteilt sind. Das wollten wir auch erreichen und das findet sich nun im KEP sehr stark wieder.

Humer: Habt ihr zum Abschluss noch einen Tipp für das KLBneu in Oberösterreich?

Folie: Wichtig ist, dass man sich wirklich breit aufstellt und solidarisch mit allen arbeitet. Da kann man die AK, den Wirtschaftsbund, den Tourismus in den Regionen und viele andere einbinden. Themen wie Heimat und Tradition darf man sich auch nicht nehmen lassen. Das sind Themen, die allen gehören. Ja und irgendwann merkt man, wie das Netzwerken und das gemeinsame Arbeiten fruchtet, wenn man sich nicht immer als Konkurrenz sieht.

Andrea Folie ist im Dachverband der Salzburger Kulturstätten zuständig für die Regionalentwicklung — und beim Salzburger Bildungswerk sowie in der Gemeindeentwicklung zuständig für Themen der interkulturellen Bildung in den Regionen.

Karl Zechenter, Gründungsmitglied der Künstler*innen-Gruppe Gold Extra und im Dachverband der Salzburger Kulturstätten seit den 2000ern aktiv, ist seit 2016 deren Obmann und als solcher auch Teilnehmer in der Steuerungsgruppe des Kulturentwicklungsplans.

Verena Humer ist stellvertretende Geschäftsführerin der KUPF und führte das Interview für die KUPFzeitung.