Zwei Jahre gibt es ihn nun, den Kultur entwicklungsplan (kurz KEP) für das Land Salzburg. Ist er bekannt genug ? 77 Einzelmaßnahmen, die 600 Menschen aus Stadt und Land, aus Verwaltung, großen Häusern und kleinen Initiativen gemeinsam erarbeitet haben, sollen schrittweise gemeinsam umgesetzt werden. Das große Ziel des KEP ist es, zeitgenössische Kunst und Kultur im Land Salzburg zu verorten. Saalachtal LEADER¹ Managerin Diana Schmiderer zieht im Gespräch über Wirkung, Hoffnung und gemeinsame Vision des KEP eine regionale Bilanz.
Susanne Lipinski: Ist der Kulturentwicklungsplan in der Region Saalachtal bekannt? Was haben zwei Jahre KEP bis jetzt gebracht?
Diana Schmiderer: Die Kulturvereine von Unken bis Saalbach kennen den KEP natürlich alle. Während das Kunsthaus NEXUS als großer Kulturanbieter in den letzten Jahren eine sehr positive Entwicklung zu verzeichnen hat, ist es für die kleineren ehrenamtlich organisierten Kulturvereine schwieriger, dem KEP Genüge zu tun. Beispielsweise ist es ihnen fast unmöglich, eigene Produktionen auf die Beine zu stellen. Sie könnten Unterstützung brauchen, um Argumentationen für ihre Förderungen gemäß des KEP zu finden. Für mich hat der KEP einen Beteiligungsprozess ausgelöst. Er stellt eine beginnende Kommunikation dar. Die Stimmen aus der Region finden Gehör und das allein ist ein sehr positiver Aspekt.
Eine Vernetzung also unter den Kulturschaffenden?
Ja genau. In nächster Zukunft wollen wir Vernetzungsveranstaltungen organisieren, an denen alle Kulturinitiativen, Theatergruppen, Regionalmuseen, Kulturschaffende und Kulturanbietende beteiligt sind, damit der KEP in der gesamten Kulturszene bekannt wird. Auch den Gemeinden und Tourismusverbänden sollten wir den KEP näherbringen, damit man ihn dort bei geplanten Projekten immer mitdenkt.
Gibt es im Saalachtal eine Kultur-Vernetzungs-Stelle, die über den KEP finanziert worden ist?
Nein, aber im Pongau sind meines Wissens zwei Stellen professionalisiert worden und in Hallein eine, da tut sich schon was. Unser Ziel ist es, eine regionale Koordinationsstelle aufzubauen, sprich eine Person, die schon seit Jahren ehrenamtlich in einem Kulturverein arbeitet, anzustellen, die dann als Vernetzungsstelle fungiert.
«Die Stimmen aus der Region finden Gehör!»
Kommen da nicht viele und sagen: «Ich arbeite auch schon so lange ehrenamtlich und will bezahlt werden!»?
Das war die erste Sorge der Bürgermeister. Doch mit dem Projekt querbeet² haben wir genau das Gegenteil herausgefunden. Die Ehrenamtlichen haben bestätigt, dass sie genau das brauchen, was wir ihnen bieten: eine professionelle Unterstützung, die die Vernetzungsarbeit leistet, die den Kontakt zur Landesverwaltung hat. Ich glaube, dass so eine Vernetzungsarbeit auch im Kulturbereich von Vorteil wäre.
Ein Ergebnis des KEP ist auch, dass das neue biennale Festival ORTung zeitgenössische Kultur aufs Land bringen soll. Was erwartest du dir aus regionaler Sicht von so einem Festival?
Das kommt drauf an, wie es gemacht wird. Ich würde es schade finden, wenn gerade zeitgenössische Kultur für kurze Zeit von der Stadt aufs Land getragen und dann wieder abgezogen wird. Ich würde mir wünschen, dass mit der Region und ihren Menschen gearbeitet und in der Region etwas bewegt wird.
Von Seiten der Kulturverwaltung werden ausdrücklich partizipative Projekte gewünscht, nun wollen aber das Schauspielhaus oder das Landestheater ihre fix fertigen Produktionen auch am Land spielen?
Ja, die großen Kulturhäuser Salzburgs sind auch bestrebt, am Land zu arbeiten. Die Frage ist nur: Brauchen wir ein ganzes Theaterstück, oder würde es nicht viel mehr bewirken, einen Regisseur oder eine Regisseurin zu bekommen, der oder die mit unseren Theaterleuten arbeitet? Das macht Reini Tritscher mit dem Theater ECCE seit 20 Jahren mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl in der Region; seine Theaterwerkstätten konnten wir beispielsweise auch mit LEADER unterstützen.
«Der Kulturentwicklungsplan darf sich weiterentwickeln!»
In Saalfelden bringt das Jazzfestival seit Jahrzehnten sehr experimentelle Musik in die Region.
Ich wünsche mir, dass die vielen bunten Dinge im Pinzgau gesehen und gestärkt werden: die Tonspuren am Leoganger Asitz, eine schöne Verbindung von Tourismus, Bergbahnen, Natur und Kultur oder eben das Jazzfestival Saalfelden, dessen Publikum allerdings mitgewachsen ist. Ich beobachte, dass es irrsinnig schwierig ist, die Jugend zu erreichen. Man arbeitet sehr ambitioniert und konsequent an der Weiterentwicklung des Festivals, um auch wieder mehr jüngere Menschen anzusprechen.
Wie progressiv darf zeitgenössische Kunst in den Regionen sein?
Unsere kleinen Kulturinitiativen, wie zum Beispiel der Verein binoggl in Lofer, sind so geübt darin, dass sie Programme machen, deren Produktionen einerseits ein großes Publikum anziehen und andererseits finden sich immer wieder Programmpunkte dazwischen, bei denen man sagt: Wow, das muss man sich trauen.
Was ist dein Wunsch an den KEP?
Ich denke, dass sich ein Kulturentwicklungsplan weiterentwickeln darf. Wichtig ist, dass wir im Dialog das fortsetzen, was wir alle in der Erarbeitung des KEP so schön begonnen haben: aus der Region, mit der Region und damit für die Region arbeiten, die vorhandenen Strukturen nutzen und alle gemeinsam als Region Kultur vorantreiben.
Diana Schmiderer ist seit 2015 LEADER-Managerin im Saalachtal, das 10 Salzburger Gemeinden wie Lofer, Saalfelden oder Saalbach-Hinterglemm umfasst. In dieser Funktion ist sie Regionalentwicklerin, Vernetzerin, Projektcoach, Förderberaterin und Vermittlerin zwischen lokalen Akteurinnen und Akteuren sowie Fördereinrichtungen. Den KEP in die Regionen zu tragen, um ihn dort gemeinsam weiter zu entwickeln, sieht sie als eine ihrer Aufgaben.
→ leader-saalachtal.at
Susanne Lipinski ist Gründerin von kollektiv KOLLINSKI, das sich spartenübergreifend, gesellschaftsrelevanter Themen annimmt. „77 CENT – Karriere kein Kinderspiel“ wurde mit dem Salzburger Landespreis PODIUM 17 prämiert und ist nach wie vor auf Tour. Die Künstlerin ist vernetzende Kulturschaffende, Schauspielerin, Texterin und führte das Interview für die KUPFzeitung.
→ fb.com/kollektivKOLLINSKI
Fußnoten
1 Das EU-Programm LEADER fördert Projekte, die von der Bevölkerung kommen und damit ihrem Bedarf beziehungsweise ihren Bedürfnissen entsprechen.
2 Das LEADER-projekt querbeet wurde von Andrea Folie und Katrin Reiter initiiert und vernetzt Bürgerinnen und Bürger durch gemeinsame Kultur- und Bildungsprojekte miteinander. Das Projekt querbeet schenkt in vielen kleinen Projekten vor allem eines: Begegnung auf Augenhöhe.
Infobox
Neben der Implementierung zeitgenössischer Kunst im ländlichen Raum empfiehlt der Salzburger Kulturentwicklungsplan die Richtlinien von Fair Pay für Kulturarbeit im organisatorischen, künstlerischen und vermittelnden Bereich. Besonders wesentliche Anliegen sind darüber hinaus kulturelle Teilhabe (barrierefreie Zugänge, Eintritte in Museen für Jugendliche oder inklusive Projekte) sowie Kunst- und Kulturvermittlung. In der Kunstproduktion heißt das Schlagwort spartenübergreifend. Kooperationsprojekte zwischen Kunst und Wissenschaft sollen künftig vermehrt gefördert werden.