Was bedeutet das neue Kulturleitbild (KLBneu) für Oberösterreich?
Was braucht es für die „Neuordnung“?
Wiltrud Hackl
Hegemonie und Kulturkampf
Kulturleitbilder sind notwendig und wichtig, nicht in erster Linie, weil sie eine Gesellschaft ordnen, sondern vor allem, weil sie politische Räume eröffnen, innerhalb derer Diskurs stattfinden kann. Dieser Diskurs war in Oberösterreich lange Jahre geprägt von einem demokratischen, offenen, verbindenden und weitsichtigen Klima; eine Basis, auf der gut weiter zu arbeiten wäre. Eine «Neuordnung» des kulturellen Geschehens macht deshalb hellhörig und wachsam, und die kurzzeitige Nominierung von Aula-Maler Odin Wiesinger seitens der FPÖ OÖ in den Landeskulturbeirat, die nur durch den noch größeren Skandal verhindert wurde, bestätigt leider Vorbehalte gegen diese frühzeitige Abkehr vom Kulturleitbild der Ära Pühringer. Es scheint, als läge die «Neuordnung», von der der Kulturreferent und Landeshauptmann Stelzer spricht, allein in hegemonialen Ansprüchen einer bestimmten Klientel begründet; eine Klientel, die aus den bisherigen diskursiven Räumen Orte des Kulturkampfes machen will. Ein neues Kulturleitbild müsste aus meiner Sicht deshalb ein ganz klares und glaubwürdiges Bekenntnis zu einer demokratischen, offenen, inklusiven Kulturpolitik enthalten, die alle rechtsextremen, identitären Kultur- und Heimatbilder, die sich aus einer Geisteshaltung ableiten, von der Österreich 1945 befreit wurde, eindeutig ablehnt.
Wiltrud Katherina Hackl – Kulturarbeiterin, Geschäfts- führerin der gfk oö, Autorin, Moderatorin.
→ wiltrudhackl.com
Anke Schad
Glaubwürdigkeit
Ich habe mich als Forscherin intensiv mit der Analyse von partizipativen kulturpolitischen Prozessen auseinandergesetzt. Eine wichtige Grundlage für offenen Dialog ist die Vertrauenswürdigkeit derjenigen, die diese Prozesse initiieren. Wird eine politische Bereitschaft, die Anliegen der Bürger*innen ernst zu nehmen und danach zu handeln, antizipiert? Nur dann sind Bürger*innen motiviert, Zeit, Wissen und Engagement beizutragen, damit Richtungsentscheidungen ausgehandelt, ausgewogen, sachgerecht und im Sinne des öffentlichen Interesses sind. Gibt es Bereitschaft, an einem verordneten Prozess teilzunehmen, oder bietet dieser Anlass zur Entwicklung alternativer Formate? In jedem Fall wünsche ich den Bürger*innen Oberösterreichs einen möglichst vielstimmigen und kontroversen Austausch zur kulturellen Entwicklung – gerade in Zeiten, in denen politische Institutionen an Glaubwürdigkeit verlieren, bedarf es einer Wiederbelebung der Demokratie von unten.
Anke Schad forscht im Bereich Kulturpolitik und Kulturmanagement. 2019 wurde ihr Buch Cultural Governance in Österreich veröffentlicht (Print und Open Access).
Severin Mayr
Kommunikation
Das Kulturleitbild des Landes zu erneuern, ist durchaus legitim. Es hat sich in den letzten zehn Jahren einiges in OÖ verändert: die Ausrichtung der Kulturhauptstadt, Digitalisierung, eine sich transformierende Gesellschaft, aber vor allem auch die drastischen Kürzungen im Kulturbudget unter LH Stelzer. Das zu reflektieren macht durchaus Sinn. Ein neues Kulturleitbild – und auch der Prozess dazu – kann hier wieder etwas zurechtrücken. Wir müssen es schaffen, dass auch die vielen kleinen Kulturinitiativen in den Regionen und die jungen aufstrebenden Künstler*innen wieder ein Umfeld vorfinden, in dem sie gedeihen können.
Die große Frage ist aber, wie der Prozess zum neuen Kulturleitbild aussehen soll. Da bleibt LH Stelzer noch einige Antworten schuldig. Es ist der Eindruck entstanden, dass man hier etwas übers Knie brechen möchte. Das schafft natürlich Verunsicherung bei den Kulturschaffenden und Kulturinstitutionen. Hier muss offen kommuniziert werden, welche unabhängigen Expert*innen den Prozess aufsetzen und begleiten, denn die Erfahrung zeigt: Je offener ein solcher Prozess gestaltet ist, desto höher ist auch die Akzeptanz. Klar ist: Es darf kein türkis-blaues Kulturleitbild werden, sondern ein von den Kulturschaffenden breit getragenes oberösterreichisches Kulturleitbild.
Severin Mayr ist stv. Landessprecher der Grünen OÖ, Landtagsabgeordneter und Kultursprecher.
Isolde Reichel
Freiheit
Die Goldhaube gilt als Symbol der Würde der Frau. Sie entspricht ihrer Individualität: Wir sind uns gleich und doch darf jede anders sein. Das bietet ein Gefühl des Aufgehobenseins, das ich Heimat nennen möchte. Identität entsteht in der Auseinandersetzung mit dem Anderen, nicht als Abgrenzung, sondern als Selbsterkennen. So war es einer meiner schönsten Momente mit Kopfschmuckträgerinnen verschiedener Kulturen gemeinsam auf der Bühne zu stehen und zu zeigen, dass Kopftücher seit Jahrhunderten zu unserer Kultur gehören und kein Zeichen von Unfreiheit sind. Die Freiheit ist überhaupt ein hohes Gut, wenn es darum geht, freiwillig Aufgaben im gesellschaftlichen Leben zu übernehmen und damit Kultur zu schaffen. Das darf nicht im Prekariat enden. Diese Freiheit gehört unterstützt – und das wünsche ich mir im neuen Kulturleitbild verankert!
Isolde Reichel, promovierte Sport- und Tanzwissen- schafterin, 1981 geboren, war 2 Jahre lang Obfrau der Goldhaubengruppe Wels, bevor eine Weiterbildung und das eigene Kulturprojekt tanztag in Kirchdorf an der Krems die ganze Aufmerksamkeit beanspruchten.