In Debatten zum Thema Kultur im Stadtraum, beim Blättern durch Kulturentwicklungspläne wie jene von Linz¹, taucht ein Faktotum auf: der Leerstand. Wie stehen Leerstand und Stadtbild, Bewohner*innen und Stadtentwicklung in Beziehung? Von Wolfgang Schmutz.
Alles Ökonomie oder was?
In den lokalen Medien wird Leerstand vor allem als wirtschaftliche Frage verstanden und das trifft sich mit den politischen Reflexen darauf. Stehen zu viele Geschäfte leer, muss etwa in Linz ein Manager her, eine Beratungsagentur, ein Entwickler. Derweil dereguliert der Immobilienmarkt die kaufmännische Vernunft: Die Geschäftsmieten erreichen Höhen, die beim Dreifachen der wirtschaftlichen Machbarkeit liegen. Zumindest für Einzelunternehmer*innen.
In der Stadtpolitik ist die Frage des Leerstands eine aktuelle und wird allem Anschein nach auch ernsthaft verfolgt. Es ginge nicht nur um leerstehende Geschäfte, sagt der Linzer Bürgermeister,² meint aber am Ende doch nur die ökonomischen Interessen. Sein Vize bemüht gar die Einkaufszentren mit ihrem kulinarischen Angebot und dem «Erlebnisfaktor» als Vorbild.³ Im Starren auf leere Geschäftsscheiben stellt sich offenbar ein Tunnelblick ein.
Stadtbild Einkaufszentrum
Aber wie weit ist das nur eine Vision oder nicht schon in weiten Teilen Realität? Ist die Stadt etwa im prestigeträchtigen Zentrum noch Stadt oder schon eher ein Einkaufszentrum ohne Dach? Man könnte die Landstraße ja auch so lesen: ein Straßenbahn-Laufband in der Mittelachse, Geschäft an Geschäft unterbrochen von Ausgabestellen für Essen-to-go und dazwischen ein paar spärlich gesetzte, dekorative Pflanzen.
Nah am Zentrum, in den Seitengassen scheint Linz auf den ersten Blick interessanter: Hipsterness in der Herrenstraße, Alternatives rund um den Pfarrplatz, Kreatives etwas weiter abseits in der Tabakfabrik. Klingt nach Diversität, ist aber in erster Linie eine ökonomische Diversifizierung. Und es bildet die Interessen einer relativ kleinen Gruppe ab.
Kein Plan, keine Wirklichkeit
Um eine gewollte Vielfalt, Kontraste und geteilte Räume kümmert sich offenbar niemand systematisch genug. Weder im Zentrum noch an den ‹Rändern› der Stadt. Die Stadt entwickelt sich wie selbständig, aber nicht akkordiert. Es gibt zumindest keine transparenten Aushandlungen dazu, keine tragfähigen Netzwerke. In Linz schießen die Immobilienprojekte in die Höhe, nicht die Ideen. Wie zuletzt lakonisch festgehalten wurde: Gestaltungsqualität ist nicht erkennbar.⁴ Wie aber sollte sich der Wille dazu konstituieren? Unter welchen Bedingungen, mit welchem Ziel? Wie wir mit Stadt umgehen, so ist sie am Ende auch, sagen Soziolog*innen, wenn man sie wie z. B. in Vöcklabruck dazu einlädt, einer nachhaltigen Stadtentwicklung das Wort zu reden.⁵ Aber was hat das nun mit dem Leerstand zu tun?
Ausgangspunkte
Dort wo die Geschäftsfluchten Löcher haben, wo Umgebungen nicht durchgestaltet sind, tut sich Entwicklungspotential auf. Von dort aus könnte sich ‹Stadt› neu formulieren und formieren. Mit der Diversität der Anwohner*innen könnte es beginnen, ihre sozialen Bedürfnisse könnten sich dort widerspiegeln, wo jetzt die eine oder andere leere Auslage gähnt. Von dort aus könnte man die Logik der jeweiligen Umgebungen aufbrechen und beginnen, sie neu zu entwickeln. Kunst- und Kulturschaffende können solche Labore ermöglichen, solche Prozesse begleiten. Dazu müssen sie selbst aber die Rolle als behübschende Platzhalter*innen von sich weisen und sich zuvorderst als Unterstützer*innen einer dauerhaften und bürgerschaftlichen Besitznahme verstehen.
Wolfgang Schmutz arbeitet als Pädagoge, Kurator und Berater im Bereich Zeitgeschichte, Holocaust und zivilgesellschaftliches Lernen. Nebenbei denkt er immer wieder einmal über Stadt und Land nach.
Fußnoten
1 → kep-linz.at, S. 476 f.
2 → nachrichten.at (Es geht nicht nur um leere Geschäfte, 22.2.2019)
3 → nachrichten.at (Leerstehende Geschäfte: Wirtschaft sieht darin kein spezielles Linz-Problem, 18.2.2019)
4 → nachrichten.at (Linz weist keine Gestaltungsqualität auf, 4.2.2019)
5 → nachrichten.at („Pro Innenstadt“ fordert eigenen Job, um Stadtteile nachhaltig zu entwickeln, 20.9.2018)