Widerworte: Reverse Bullshit

„Ach, bei uns ist das doch längst kein Thema mehr. Menschen sind Menschen“, schreibt Lukas, weißer, bürgerlicher Mittzwanziger, ins Netz. Mit „Thema“ meint er natürlich Rassismus, denn er sieht als aufgeklärter und toleranter Mensch „keine Hautfarbe“. Lieber Lukas, hier ein kleiner Reminder: Wer so tut, als gäbe es Rassismus und damit verbundene strukturelle Diskriminierung nicht, negiert die Erfahrungen, Leidensgeschichten, den Ressourcenraub und die Vernichtung von Millionen Menschen. Das ist respektlos, um es milde auszudrücken.
Und um weiter zu gehen: Es ist eine Form von Machtdemonstration. Denn eine imaginierte post-rassistische Gesellschaft lenkt nur davon ab, über realen strukturellen Rassismus zu sprechen. Und hilft damit wiederum jenen, die von diesem System profitieren. Dieser Nicht-Diskurs verschleiert Machtstrukturen, und bringt nicht zuletzt auch Betroffene zum Schweigen. Es wird nämlich kein „Happy End“ in naher Zukunft geben – auch weil es so vielen weißen Menschen unangenehm ist, über Rassismus zu sprechen. Vor allem dann, wenn sie sich davon „angegriffen“ fühlen. Über Rassismus zu reden, heißt über Weißsein zu reden. Über „white fragility“ (Robin DiAngelo) – also all dieses Herumwinden, Negieren und das Gefühl der Superiorität, das mit diesem enormen Privileg verbunden ist. Doch statt so zu tun, als gäbe es offensichtliche Ungerechtigkeiten nicht, sollten wir uns lieber endlich der Tatsache bewusst werden, dass dieses System inhärent rassistisch und diskriminierend ist.
Und somit sind das auch wir – egal ob wir uns als stolze FeministInnen, linksliberale WeltretterInnen oder aufgeklärte NetzaktivistInnen inszenieren. Der Rassismus wird dann eben verkleidet, hübsch arrangiert, mit nasaler Stimme vorgetragen. Rassismus bleibt es aber trotzdem. Und nein, es gibt keinen „umgekehrten Rassismus“. Denn Menschen, die in einer Gesellschaft der konstruierten Norm angehören, werden nie dieselben strukturellen Benachteiligungen erfahren wie jene, die es nicht tun.
Es ist tatsächlich noch immer notwendig, Identitäten zu benennen, um auch die Strukturen dahinter zu sehen. Denn wir sind leider nicht in einem herrschaftsfreien Raum angelangt, wo diese keine Bedeutung mehr haben. Schreibt euch das endlich hinter die Ohren, liebe Bio-ÖsterreicherInnen und Almans.