Ist es selbstverständlich, in einer Demokratie zu leben?
Schleichender Wandel
Es ist schwer vorstellbar, dass sich unsere Regierungsform in den nächsten Jahrzehnten ändern könnte. Ich komme zu dieser Annahme, da ich die Politik von klein auf als etwas Undurchschaubares angesehen habe. Als etwas, das von Veränderung und Fortschritt spricht, sich jedoch selbst im Wege steht. Wandel kommt so schleichend, fast so, als würde es ihn nicht geben. Ich denke, dass uns Menschen die Probleme dieser Welt bewusst sind. Und dass durch diese Vielzahl an Ungerechtigkeiten eine große Ausweglosigkeit entstanden ist. Eine Ausweglosigkeit, welche sich in der Politik widerspiegelt. Nein, es ist nicht selbstverständlich, in einer Demokratie zu leben. Genauso wenig wie Früchte zu essen, welche tausende Kilometer von uns entfernt wachsen. Und trotzdem essen wir Bananen als wären es Äpfel.
Maria Linecker ist zwanzig Jahre alt, ausgebildete Grafikerin und besucht derzeit die Meisterklasse für Grafik und Design. Sie ist Leiterin des Magazins „die Hummel“.
Weg von der Diktatur
Ich hoffe schon, dass wir immer in einer Demokratie leben werden. Das ist nicht selbstverständlich, man muss es sich erkämpfen, ein guter Demokrat zu sein.
Als Kind habe ich gemerkt, wie sehr man sich nach Demokratie gesehnt hat, danach, von der Diktatur wegzukommen. Mein Stiefvater war Sozialist und sehr gegen die Nazis. Ich habe viele Dinge miterlebt und dadurch einen Hass auf den Krieg und eine Sehnsucht nach wahrem Frieden entwickelt. Als Fünfjähriger war ich in Linz im Krankenhaus und sah, wie die Synagoge brannte. Da bekam ich Angst, und auch die Krankenschwestern fürchteten sich. Als 12-Jähriger sah ich die KZ-Häftlinge auf ihrem Todesmarsch, die Toten lagen auf meinem Schulweg. Jene, die heute noch Nazi-Tendenzen haben, machen mir Sorgen. Ich habe gelernt, mich mehr auf die Bibel zu besinnen und weniger auf Parteiprogramme.
Erwin Rammerstorfer, geboren 1933, ist gelernter Papiermacher und arbeitete in der Papierfabrik Nettingsdorf. Mit seiner Frau zog er in den 1960ern nach Wels. Dort bauten sie im Stadtteil Lichtenegg als erste „Nicht-ÖsterreicherInnen“ ihr Haus in einer von Flüchtlingen bewohnten Siedlung.
Menschenrechte, Freiheit, Wahlen
Wie viele andere Konzepte hat auch die Demokratie eine komplexe Definition. Für mich ist Demokratie nicht genau verständlich. Meiner Meinung nach ist Demokratie: Menschenrechte, Freiheit und wählen zu können. Wenn es diese Möglichkeiten gibt, dann können wir sicher in einer Demokratie leben. Du hast dann die Freiheit, dich weiter zu entwickeln und eigene Pläne für dich und deine Zukunft zu machen. Ich denke aber nicht, dass die Demokratie in Österreich gefährdet ist. Man wählt alle paar Jahre eine Regierung, man darf frei wählen. Es ist gut, dass es Wahlen dafür gibt.
Abdul Yousif ist 23 Jahre alt, in Afghanistan geboren und lebt seit drei Jahren in Österreich. Er macht gerade eine Ausbildung zum Altenbetreuer an der Altenbetreuungsschule des Landes OÖ.
Mangel an Solidarität
(abajo el texto original en castellano; Statement im Original in spanischer Sprache weiter unten)
Ich habe ernsthafte Zweifel an der Gesundheit der Demokratie in Europa, v. a. weil die extreme Rechte in Parlamenten vieler Länder der EU vorrückt. In Spanien regiert sie bereits im andalusischen Parlament, gemeinsam mit zwei rechten Parteien. Ich bin mir nicht sicher, ob wir heute in Spanien von einer konsolidierten Demokratie sprechen können – wenn u. a. SängerInnen, KleinkünstlerInnen und AktivistInnen verfolgt werden, weil sie ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausüben. Mindestens so ernst ist die Situation der vierzehn PolitikerInnen der rechtmäßigen Regierung Kataloniens und zweier Sozialaktivisten, die heute im Gefängnis oder Exil sind, für das Abhalten des katalonischen Autonomie-Referendums verurteilt werden und mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren rechnen müssen.
Der Mangel an Solidarität und die Scheinheiligkeit der EU in Fragen wie Flüchtlingskrise und Migration machen mich misstrauisch gegenüber europäischen PolitikerInnen. Ich werde an europäischen und spanischen Wahlen teilnehmen, um zu versuchen, all diese Ungerechtigkeiten mit meiner Stimme zu stoppen.
Josep Soler Mateu, geb. 1954 in l’Armentera, Girona, Katalonien, aufgewachsen während des Franquismus, vertritt demokratische Werte wie Solidarität, Rechtschaffenheit, Gleichheit, Freiheit. Sein Vater überlebte den Spanischen Bürgerkrieg (1936-39) und ein franquistisches Konzentrationslager in Burgos. Sein Onkel Josep Soler Soler wurde nach Mauthausen-Gusen deportiert und im Alter von 21 Jahren in Hartheim ermordet.
Falta de Solidaridad
En pleno siglo XXI tengo serias dudas sobre la buena salud de la democracia en Europa, sobretodo por el avance de la ultra derecha en parlamentos de muchos países de la Unión Europea, una cuestión que me preocupa muchísimo. En España la ultra derecha ya gobierna en el Parlamento Andaluz de la mano de dos partidos derechistas. Tampoco tengo muy claro que en España podamos hablar de democracia consolidada en la actualidad. Padecemos una clara restricción de nuestras libertades cuando cantantes, activistas y cómicos, entre otros, están siendo perseguidos por ejercer su derecho a la libertad de expresión. Tan o más grave es la situación de catorce políticos del gobierno legítimo de Catalunya y de dos activistas sociales que se encuentran hoy en prisión o en el exilio. Todos ellos están siendo juzgados por permitir al pueblo de Catalunya realizar un referéndum de autodeterminación y se enfrentan a penas de más de diez años de cárcel.
La insolidaridad y la hipocresía de la Unión Europea en temas como la crisis de refugiados y la inmigración me hacen desconfiar mucho de los políticos europeos. Participaré en las elecciones europeas y españolas para intentar frenar toda estas injusticias con mi voto.
Mi nombre es Josep Soler Mateu, nací en 1954 en l’Armentera, un pueblo de la província de Girona en Catalunya. Estoy casado, tengo dos hijos y dos nietas. Con mi mujer hemos intentado educar a nuestros hijos en los valores democráticos de la solidaridad, la honestidad, la igualdad y la libertad. Nací durante el franquismo, tenía veintiún años cuando el dictador Francisco Franco murió y sé qué es carecer de ellos. Mi padre sobrevivió a la guerra civil española (1936-39) y al campo de concentración franquista de Burgos. Mi tío no tuvo tanto suerte, después de exiliarse a Francia, una vez acabada la guerra española, acabó deportado a Mauthausen-Gusen y asesinado en Hartheim. Se llamaba Josep Soler Soler, tenía tan sólo veintidós años.