Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist bis zu einem gewissen Grad ein Oxymoron, ein in sich widersprüchliches Konzept: Finanziert durch staatlich festgelegte und verbindliche Beiträge, Abgaben oder Gebühren soll er gleichzeitig möglichst staatsfern organisiert sein und berichten. Während seine Legitimation wesentlich aus einem demokratisch festgelegten Auftrag folgt, soll er diesen auch – wenn nicht sogar gerade – in Form kritischer Berichterstattung über demokratische Repräsentantinnen und Repräsentanten erfüllen, die über diesen Auftrag entscheiden.
Wie also eine demokratische Verankerung und Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellen, ohne gleichzeitig dessen Kontrollfunktion für demokratische Institutionen zu unterminieren? Die derzeitige Gestaltung des ORF-Stiftungsrats löst diesen Widerspruch einseitig zu Gunsten parlamentarischer Mehrheiten auf: 24 der 35 Stiftungsräte werden von Bundesregierung (neun Mitglieder), Landesregierungen (ein Mitglied pro Bundesland) und Parlamentsparteien (ein Mitglied pro Partei) ausgewählt. Zusammen mit sechs Mitgliedern des Publikumsrats, der wiederum vom Bundeskanzler beschickt wird, kontrolliert die Bundesregierung alleine 15 Mitglieder. Ein Regierungswechsel hat so quasi unmittelbar einen Mehrheitswechsel im Leitungsorgan des ORF zur Folge.
Wie also Unabhängigkeit und demokratische Kontrolle gleichermaßen herstellen? Ein praktikabler Ausweg könnte darin bestehen, zumindest ein Drittel der Mitglieder solcher Gremien per Los zu beschicken. Derart „aleatorische Demokratie“ ist weder neu – schon in der athenischen Polis kam dieses Verfahren zum Einsatz – noch unserem politischen System völlig fremd: In der Justiz wird die gesellschaftliche Rückbindung immer schon auch über Laiengerichtsbarkeit sichergestellt. Geschworene oder Schöffen werden per Losverfahren ausgewählt. Wenn aber sogar die Entscheidung über die Bestrafung schwerste Delikte per Los ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern zugestanden wird, warum dann nicht auch im Bereich der Rundfunkaufsicht? Selbst wenn die übrigen Mitglieder parteipolitisch zuordenbar sind, alle müssten sich ernsthaft um die Stimmen dieser „Rundfunkschöffen“ bemühen. Mehr zu Geschichte und Beispielen aleatorischer Demokratie findet sich in der Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Demarchie