Stolpernde Erinnerung

80 Jahre und kein bisschen weise. So könnte resümieren, wer sich die aktuellen Diskussionen vor Augen führt, die im heurigen Gedenkjahr aufflammen. In Wien ist man nicht sicher, ob das Haus der Geschichte (eher eine Wohnung in einem Seitenflügel) nicht auch noch thematisch weiter eingedampft werden sollte, auf die halbe Geschichte, nämlich die republikanische Phase. In Linz reklamiert der Bürgermeister die Deutungshoheit über das Erinnern im öffentlichen Raum für sich und lässt die jüdische Kultusgemeinde in Sachen Stolpersteine zappeln.

Und dann war noch der 5. Mai, Österreichs offizieller Gedenktag. Der stellvertretende Landeshauptmann Manfred Haimbuchner trieb ein doppeltes, nein, dreifaches Spiel: Zuerst gab er per Aussendung bekannt, man plane die Abänderung der Landesbauordnung, um geförderte Wohnungen nicht mehr barrierefrei errichten zu müssen. Dann könne man günstiger an junge Paare vermieten, nicht beeinträchtigte, wohlgemerkt. Kurz darauf stand Haimbuchner vor der Kulisse des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim, zeigte tiefe Betroffenheit und konnte vor den Kameras der willfährigen Presse lobend erwähnen, dass der FPÖ in Hartheim die Türen nicht versperrt blieben, wie etwa beim offiziellen Gedenken in Mauthausen.

Nehmen wir, während wir so dahinstolpern, die größeren Zusammenhänge in den Blick: Die FPÖ hat etwas grundlegend verstanden. Man kann das Gedenken für seine Zwecke instrumentalisieren und zugleich von echter Verantwortung abspalten. Die Gedenkarbeit bleibt bescheiden finanziert und die politische Bildung ist ein schlechter Witz. Deren Budget liegt unter einem Prozent dessen, was in Deutschland investiert wird. Das meist auf Projekte limitierte Gedenken hat man in den letzten zwanzig Jahren über Töpfe und Mittel finanziert, die man den Opfern vorenthalten hat. Wobei eine finanzielle Entschädigung moralisch gar nicht gehe, so sagt man nonchalant.

Also eine Gnackwatsch’n für die Politik, den „Staat“? Die sollen endlich ordentlich finanzieren? Nur indirekt. Eher schon ein Klaps auf den Hinterkopf jener, die sich zwar wortreich investieren und brav am Erinnern arbeiten, aber feige schweigen, wenn man instrumentalisiert wird. Seien wir die nächste Generation, die eine wirklich kritische Stimme findet, auch gegen sich selbst. Eine Generation, die sich nicht zum Feigenblatt macht, in die Offensive geht, einfordert und selbst anpackt. Vielleicht hilft ja Ruth Beckermanns Film Waldheims Walzer dabei, sich über die andauernde Notwendigkeit zu verständigen. Ansonsten wünschen wir fröhliches Weiterstolpern, mit Steinen oder ohne.