Generationenwechsel im Kulturverein

Ein Drama oder eine Chance für die Organisation? Ein Generationenwechsel in einer Organisation bedeutet immer eine Veränderung. Hilfreich ist es, solche Veränderungsprozesse aktiv zu gestalten und sie eventuell auch professionell zu begleiten, um das Potential der Veränderung für jeden Kulturverein optimal zu nutzen. Von Aliette Dörflinger.

Menschen engagieren sich in Kulturvereinen, um in Gemeinschaft etwas zu erleben bzw. zu verwirklichen. Heutzutage ist der Kulturverein nicht mehr nur ein Ort, an dem man gesellig Zeit verbringt, wo sich eine (Dorf-)Gemeinschaft zusammenfindet. Kulturvereine haben auch Projekte, Finanzen und Budgets, angestellte Mitarbeitende, eventuell gewinnbringende Vertriebskomponenten und Produkte. Der Kulturverein ist auch vermehrt Ausdruck einer sehr professionellen Organisationsform von Menschen geworden, die sich in der und für die Kultur engagieren und arbeiten. Es findet immer öfter eine aktive Steuerung und Gestaltung der täglichen Arbeitsprozesse statt, die in diesem Bereich auch mit Kulturmanagement bezeichnet wird. Viele Kulturvereine wenden schon Prozesse und Instrumente aus dem Kulturmanagement an, wenn auch oft intuitiv.

Personal und Emotionen

Wichtige Themen aus dem Kulturmanagement, die direkt auch den Generationenwechsel betreffen, sind die Führung und das Personalmanagement. Der hohe Grad an Selbstorganisation in Kulturvereinen lässt oftmals vergessen, dass es notwendig ist, bewusst „auf die Leut‘ zu schauen“ und auch das Thema Führung gut zu reflektieren. In einem Miteinander, welches geprägt ist von Engagement und „Feuer für die Sache“, sind die Macht, ihre Verteilung auf die Mitglieder der Organisation und ihre Steuerung oftmals keine Themen, mit denen man sich gerne beschäftigt. Oder ganz im Gegenteil sind es so zentrale Themen, dass sehr viel Energie darauf aufgewendet wird, um z. B. neue Entscheidungsstrukturen abseits hierarchischer Strukturen aufzubauen. Jeder Verein hat sein spezifisches Umfeld, seine Ressourcen und eine Gründungsgeschichte. In diesem Kontext findet jeder seine Lösungen, wie mit diesen Fragen umzugehen ist: Einige sind basisdemokratisch organisiert, andere folgen der Struktur der juristischen Organisationsform, manche können ohne Obmensch nicht leben und wiederum andere probieren neue Entscheidungstechniken aus (Stichwort Soziokratie). Der Kulturverein ist eine Organisationsform mit sehr spezifischen Merkmalen: Sie ist nicht-gewinnorientiert, mehrheitlich gemeinnützig und getragen von einer ideellen Mission. Daher ergibt sich eine hohe intrinsische Motivation der Beteiligten für die Sache an sich, die sich in der ehrenamtlichen Mitarbeit abliest. Kunst und Kultur sind unter anderem durch Emotionalität geprägt und dies spiegelt sich in den Menschen wider, die einen Kulturverein gründen, darin mitarbeiten oder Mitglied sind. Die emotionale Sphäre im Tun und Handeln spielt eine große Rolle. Die Herausforderung liegt wohl darin, die Emotionen und die Interessen aller HandlungsakteurInnen der Organisation gut zusammenzuführen und zu akkordieren. Was tun und wie tun, wenn in diesem Kontext ein Generationenwechsel bzw. eine Übergabe bei den Mitwirkenden des Vereins ansteht?

Veränderung als Chance

Das Kommen von neuen Menschen und das Gehen von Anderen bewegt das System, vor allem wenn es sich z. B. um Gründungsmitglieder des Vereins handelt. Es kommt gezwungenermaßen zu einer Veränderung. Dem Thema der Nachfolge von leitenden Positionen – z. B. wenn es sich um ein Gründungsmitglied handelt, das seit vielen Jahren diese Arbeit gemacht hat und sich natürlich stark mit ihr identifiziert – ist ein sehr heikles. Ein Loslassen muss stattfinden, der alte Platz sollte geräumt werden, die neue Person muss ihren Platz finden und er muss ihr auch gegeben werden.

Ein Generationenwechsel kann als Veränderungschance genutzt werden, um die Basis des Vereins zu reflektieren und eventuell neu zu definieren, so wie es für die neuen Personen gut passt. Wie radikal dabei vorgegangen wird, bleibt jeder/m offen – wichtig ist, wertschätzend mit allen Beteiligten umzugehen und das Alte nicht dem Neuen unreflektiert zu opfern. Der Erfolg des /der NachfolgerIn muss aber zugelassen werden, ohne dass eine Kränkung oder ein Anerkennungsverlust der älteren Generation stattfindet.

Wissenstransfer und Konfliktpotenzial

Das Gehen von Personen, die seit Jahren in Kulturvereinen tätig waren, kann einen großen Wissensverlust für die Organisation bedeuten. Es ist wichtig, proaktiv einen guten Wissenstransfer innerhalb der gesamten Organisation und den alten/neuen Beteiligten zu initiieren sowie auf die emotionalen Komponenten zu achten. Es ist ersichtlich, dass der ganze Bereich des Miteinanders (Teamdynamik, Führung, Kommunikationsstrukturen) und die formelle Organisationsstruktur in Veränderungsmomenten, die viel Unsicherheiten mit sich tragen, viel Aufmerksamkeit bekommen sollten. Dies ermöglicht, Konfliktpotenzial von vornherein Wind aus den Segeln zu nehmen und dass die HandlungsakteurInnen sich bewusst auf das Neue einlassen. Der Prozess der Übergabe gelingt umso besser, wenn er sorgfältig geplant und ein zeitlicher Übergang eingeräumt wird. Das sind klare Erfolgsfaktoren für einen gelungenen Nachfolge-Prozess, wie viele Studien zu Betriebsübergaben belegen. Und sie gelten sicherlich auch für Kulturvereine.

Regeln des Miteinanders

Zentral für mich ist, dass es sich bei den Kulturvereinen um eine Organisationsform handelt, die genauso ernst genommen werden sollte wie andere Unternehmensformen. Nicht nur in ihrer Rolle und für ihren bedeutenden Beitrag im gesellschaftlichen Gesamtsystem, sondern auch als das, was sie ist: eine wertvolle Wirkungsstätte für Menschen. Daraus ergibt sich ein Plädoyer, mit dieser Organisationsform gut umzugehen und den Menschen, die darin tätig sind, zu ermöglichen, sich einen guten Lebens- und Arbeitsraum zu gestalten – z. B. in Form einer Organisationsstruktur mit klaren Verantwortlichkeiten und guten Regeln des Miteinanders. Ein Plädoyer demnach auch dafür, bewährte Instrumente der Teamentwicklung, Mediation, Organisationsberatung und Prozessbegleitung ebenfalls in diesen Organisationen gezielt einzusetzen, so wie dies in Familienunternehmen und vielen anderen Unternehmen der Fall ist. Diese Instrumente können die Gestaltung von sogenannten Nachfolge-Prozessen (Stichwort Change management) unterstützen und dazu beitragen, mit etwaigen Generationenkonflikten konstruktiv umzugehen.