Widerworte – Emanzenkolumne von Jelena Gučanin
Nette Frauen leben ungesund. Das zumindest sagt die Psychologin Jacqui Marson. Ihre These: Wer «Nein» sagen kann, hat mehr vom Leben und hat weniger psychische und körperliche Probleme. Auch wenn letzteres schwer zu überprüfen ist, gebe ich ihr bei ersterem vollkommen Recht. Denn wenn ich etwas in meinem Berufs- und Alltagsleben gelernt habe, dann ist es das: Lass dich nicht verarschen. Schon gar nicht, weil du eine Frau bist, weil dir beigebracht wurde, «Ja und Amen» zu sagen, weil du nett und höflich sein willst, weil du nicht anecken willst, weil du allen gefallen willst, weil du es allen Recht machen willst, weil du den Weg des geringsten Widerstands gehen willst. Weil du lieb, freundlich und süß sein willst. So wie es Frauen im Patriarchat eben sein sollen, um keinen Lärm zu machen, um unterwürfig und zufrieden zu bleiben. Damit sie niemals (politische) Forderungen stellen können, die die Allmacht der Cis-Männlichkeit in Frage stellen würden.
Kurzum: Nettigkeit ist politisch. Das Ideal der netten Frau verneint ihren Selbstwert, ihre Würde, ihre Intelligenz und ihre Selbstliebe. Denn die Botschaft ist: Frauen sind da, um anderen zu gefallen. Wenn dann noch Zeit übrig ist, dürfen sie sich auch kurz, still und heimlich um sich selbst kümmern. Und indem Frauen selbst diese Muster reproduzieren, bestätigen sie ungewollt das System, das sie unterdrückt. Indem sie andere Frauen unter Druck setzen, genauso zu sein, tun sie das umso mehr.
Denn in diesem System werden Frauen wahrscheinlich (fast immer) trotzdem verlieren. Weil Diskriminierung und Hierarchien es eben nicht anders zulassen. Indem sie aber diese Rollenbilder hinterfragen und dagegen arbeiten, tun sie es jedoch ein Stück weit weniger. Und vor allem verlieren sie dabei nicht sich selbst. Ein «Nein» ist die ganz persönliche Gegenwehr, die bei Gewalt viel zu oft nicht respektiert und gewürdigt wird. Im Alltag und den vielen «kleinen Dingen» könnte frau trotzdem öfter mal auf sich schauen – sofern sie es sich leisten kann. Und sofern sie damit solidarisch handelt. Denn nicht jede Frau ist in der privilegierten Situation, sich wehren zu können. Und dieser kleine Widerstand ist wichtig, für eine selbst und alle anderen, die sich noch nicht trauen, nicht trauen dürfen und nie trauen werden.
Und irgendwann wird es selbstverständlich sein, dass Frauen nicht die gesamte emotionale und unbezahlte Arbeit leisten – genauso selbstverständlich, wie es jetzt das häufige Abnicken und das dauernde Entschuldigen für sie ist. Deshalb mein Appell an alle Frauen: Wenn ihr dem Patriarchat eins reindrücken wollt, seid auch einfach mal ein Arschloch.
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