Bloß nicht Oberösterreich!

Ein Kulturentwicklungsplan für die Zukunft Salzburgs und seine BürgerInnen

2018 wurde vom Salzburger Landtag der Kulturentwicklungsplan (KEP) einstimmig beschlossen. Es ist ein Plan, der als Handlungsorientierung für die Kulturpolitik, die Kulturverwaltung und die Kulturentwicklung in Salzburg dienen soll. Damit definiert das Land Salzburg die Rahmenbedingungen für die Kulturpolitik der nächsten zehn Jahre. Entstanden ist der KEP auf Initiative des Landeskulturbeirates und des Dachverbandes Salzburger Kulturstätten, der kulturpolitischen Interessenvertretung der freien zeitgenössischen und autonomen Kulturarbeit im Land Salzburg. Als Ziel sollte ein Leitbild für das Bundesland Salzburg entwickelt werden. Dieser Vorschlag wurde vom Land Salzburg aufgenommen und umgesetzt. Auf der Agenda stand, die Potentiale des Landes sichtbar zu machen, nachhaltige und sichere Entwicklungen für die AkteurInnen zu ermöglichen, herkömmliche Strukturen und Verfahren in Frage zu stellen und die BürgerInnen an diesem Prozess zu beteiligen. Ziel war es, einen zeitgemäßen Kulturbegriff zu entwickeln und ein ansprechendes Arbeitsumfeld zu schaffen. Dazu wurden die Salzburger und Salzburgerinnen zu einem einjährigen, partizipativen Prozess eingeladen, um eigene Ideen, Ziele, Forderungen und Maßnahmen für die Salzburger Kunst- und Kulturszene zu diskutieren und zu definieren.

Dabei sprechen wir von zwei Jahren Arbeit, 600 TeilnehmerInnen, einem Projektteam, einer Steuerungsgruppe, neun Workshops, 77 Maßnahmen, 56 Seiten Bilanz für die nächsten zehn Jahre.

 

Transparent und Partizipativ – zwei Schlagwörter mit Realitätssinn

Das gesamte Vorhaben wurde gemeinsam mit der Landespolitik, dem zuständigen Ressort und der Firma LIquA – Linzer Institut für qualitative Analysen, als transparenter und partizipativer Prozess angelegt und gelebt. Jeder und jede konnte sich von Beginn an einbringen. Ob persönlich bei den Workshops oder nachstehend auf der Website oder per Mail. Akribisch genau wurde jede einzelne Idee und Forderung in das Grundlagenpapier von Thomas Philipp und seinem Team eingearbeitet und völlig offen dargestellt. Zugleich wurde ein Steuerungsteam, bestehend aus Salzburger Kunst- und Kulturschaffenden und zusätzlichen ExpertInnenrunden eingeführt, um die gesammelten Ziele und Maßnahmen auf konkrete Möglichkeiten runterzubrechen. Die sich nun in 77 konkreten Aktionen widerspiegeln.

 

Endergebnis: Finanzhaushalt

5,5 Mio. Euro werden benötigt – so der ehemalige Landeskulturbeirat Heinrich Schellhorn bei der Präsentation des Kulturentwicklungsplans im Schauspielhaus Salzburg –, um die strukturellen und Investitionskosten für die Umsetzung der Maßnahmen abzudecken. Das wäre ein erster großer Finanzbrocken, wie er seit Jahren vom Dachverband Salzburger Kulturstätten gefordert wird, um die Investitionen, den Ausbau und die Sicherung der kreativen, künstlerischen und kulturvermittelnden Leistungen im Kulturland Salzburg weiter zu entwickeln und für eine zukunftsweisende Landschaft zu sorgen, ohne die AkteurInnen darin finanziell ausbluten zu lassen.

 

Ein Schubladenpapier oder ein Landespapier mit Flügeln?

Einfach wegzuwischen ist der zweijährige Bürgerbeteiligungsprozess heute nicht mehr. Trotzdem bleibt für viele AkteurInnen ein bitterer Nachgeschmack mit Sorge dabei. So war der Kulturentwicklungsplan im Nachbarland Oberösterreich 2009 das Vorzeigemodell schlechthin. Neun Jahre später bleibt das «Leitbild ambitionierter als seine Umsetzung» – so Thomas Diesenreiter von der KUPF OÖ. Eine ÖVP / FPÖ Koalition nagt mittlerweile an einem Kulturskelett herum, das noch mehr Prekariate produziert statt gemeinsamen Wohlstand. Dabei schaute Salzburg immer mit großen Augen ins Nachbarland. Und jetzt gilt: Bloß nicht Oberösterreich!

 

Tendenzen für Salzburg

Prioritäre Maßnahmen finden sich unter den Bereichen: Kulturpolitik, Tradition, Produktion, Kreativität und Wissen, Inter- und Transkultur, ländlicher Raum, Vernetzung und Kooperation, Infrastruktur, KinderJugendkultur und kulturelle Bildung, Kunst- und Kulturvermittlung, Baukultur, Tourismus. Welche letztlich von der Regierung beachtet und welche in ein Eck abgedrängt werden, gilt abzuwarten. Tendenzen in Richtung Festspiel- und Tourismusförderung lassen sich erkennen.

Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hat in den ersten drei Zeilen des Kulturentwicklungsplans die Salzburger Festspiele als einzigen Kunst- und Kulturakteur namentlich erwähnt und das «Kulturland Salzburg» entsprechend hervorgehoben. Bleibt zu erwähnen, dass das Marketingkonzept für das «Kulturland Salzburg» vor zwei Jahren komplett an die SalzburgerLand Tourismus Gesellschaft übergeben worden ist.

 

Strukturelle Kulturmaßnahmen für Salzburg

Hinsichtlich dieser Tendenzen werden der Dachverband Salzburger Kulturstätten und der Landeskulturbeirat ein starkes Augenmerk auf die Umsetzungsmaßnahmen legen müssen und für seine Forderungen eintreten: weg vom Ehrenamt, hin zum Hauptamt. Schaffung von Personalstellen vor allem in Landgemeinden. Nur dadurch kann eine nachhaltige Struktur geschaffen werden, die abseits des Tourismus für nachkommende Generationen nachhaltige Strukturen schafft und dadurch zum Gemeinwohl beiträgt. Fair Pay für KulturarbeiterInnen gilt nach wie vor als oberste Priorität. Denn Kunst- und Kulturarbeit ist Arbeit und kann nicht als (Selbst-)Ausbeutungsmaßnahme auf den Schultern Einzelner getragen werden. Damit sich der Kreis wieder schließt: 2017 gab es im Land Salzburg über 25 Mio. Nächtigungen. Im Salzburg Tourismus Strategieplan 2020 ist angeführt, dass einer der Hauptgründe für TouristInnenen, nach Salzburg zu kommen, in der Vielfalt von Kunst- und Kulturangeboten liegt. Es ist klar, dass in einem Land wie Salzburg der Bereich Tourismus nicht immer getrennt vom Bereich Kunst und Kultur betrachtet werden kann (und umgekehrt). Trotzdem sind beide Bereiche ungerecht budgetiert. Während der eine von einer unglaublichen Geldmaschinerie profitiert, lebt der andere von persönlichen Ausbeutungsmodellen.

 

Kultur – Motor einer Gesellschaft

Die BürgerInnen haben sich am KEP beteiligt und sich eingebracht. Nun liegt es an der Politik, Zukunftsperspektiven zu schaffen. Die Politik täte gut daran, Kunst und Kultur als wesentlichen Motor für Stadt und Land, für die Wirtschaft und die Gesellschaft, für eine demokratische Gemeinschaft und den sozialen Frieden zu begreifen.

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