Die IG Kultur ist die bundesweite Interessenvertretung für die Belange der freien Kulturinitiativen in Österreich. Klemens Pilsl hat Yvonne Gimpel, die neue Geschäftsführerin der IG Kultur, zum Gespräch getroffen.
Klemens Pilsl: Im schwarz-blauen Oberösterreich wurden 30 % des Förderbudgets für Kunst und Kultur innerhalb eines Jahres gekürzt. Wir haben jetzt auch auf Bundesebene schwarz-blau, wir haben einen neuen Kulturminister. Was erwartet die Kulturinitiativen?
Yvonne Gimpel: Eine ganz neue Kunst- und Kulturstrategie für ganz Österreich soll entwickelt werden. Ein Erfolg, den wir verbuchen können, ist, dass Schwarz-Blau gezwungen wird, das in einem breiten Beteiligungsprozess anzugehen, an dem auch NGOs und Kulturinstitutionen beteiligt sein sollen. Bislang sah der im Regierungsprogramm angekündigte Kulturdialog eigentlich so aus, dass es eine Auswahl von Künstlerinnen gab, die – um es mal überspitzt zu sagen – der Minister zur Audienz für Fototermine gebeten hat. Aber keine Bereitschaft, in einen wirklichen Dialog einzutreten. Da konnten wir uns bereits hineinreklamieren. Denn diese Kunst- und Kulturstrategie will alles regeln und neu definieren: Was fördern wir, was sind unsere Schwerpunkte? Wie ist das rückgekoppelt an Kriterien, an Prozesse, wie ist die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern? Eine komplette Neu-Ordnung, eine Neu-Diskussion über die gesamte Kunstförderung! Da müssen wir beteiligt werden und uns einbringen, sonst wird es in die Richtung gehen, die sich schon abzeichnet: immer mehr Individualisierung, immer weniger Möglichkeiten, auch Infrastruktur aufrecht zu erhalten und ein Wegbrechen der Räume, die selbst organisiert und selbst gestaltet sind.
Das Zweite ist, dass derselbe Prozess gerade auf EUEbene passiert. Auch da werden die Weichen vollkommen neu gestellt, vom Budget angefangen. Jetzt wird definiert, wie viel Geld bis 2027 zur Verfügung steht. Wir verhandeln ganz neu, was Kulturpolitik auf EU-Ebene bedeutet und ganz konkret auch den Arbeitsplatz für Kultur für die nächsten vier Jahre. Alles unter österreichischer Ratspräsidentschaft. Eine Zwischenevaluierung des Kulturprogramms zeigt, dass Ziele wie die Schaffung eines europäischen Kulturaustauschs durch das derzeitige Förderprogramm (Anm.: Creative Europe) zwar erreichbar sind – aber so, wie es jetzt aufgestellt ist, ist es eigentlich eine Wirtschaftsförderung. Es gibt unsererseits die Empfehlung, mehr kleinen Projekten Zugang zu schaffen, mehr in die Breite hinein zu fördern und weniger auf Masse und quasi große Ausstrahlung zu gehen, sondern wirklich Qualität im Kleinen, in der Vielfalt zu ermöglichen. Das sind Grundsatzdiskussionen. Jetzt ist der Zeitpunkt, sich in diesen Diskurs hinein zu reklamieren und laut und auch widerständig aufzutreten. Nur konstruktiv zustimmen und den kleinsten gemeinsamen Nenner auszuverhandeln, wird uns nicht weiterbringen.
Was bedeutet schwarz-blau im Bund in den nächsten paar Monaten für Kulturinitiativen?
Ich gehe nicht von größeren Umbrüchen in den nächsten Monaten aus, auch vor dem Hintergrund, dass die EU-Ratspräsidentschaft kommt. Momentan ist auch das Budget ganz klar geregelt. Es bleibt zumindest im Bereich der Kulturinitiativen in etwa auf dem Vorjahresniveau. Das ist ein sehr minimaler Anteil gesamt – das Kunstkulturbudget beträgt 0,58 % des Bundesbudgets und von diesen 0,58 % haben wir 1,16 % für Kulturinitiativen.
Sehr wohl beginnt in den nächsten Monaten die Digitalisierung im gesamten Prozess der Fördereinreichungen und -abwicklungen. Das ist eigentlich ein guter Punkt – die Stichworte sind Nachvollziehbarkeit, Transparenz, Planbarkeit der Anträge.
Wie die Mittel 2019 verteilt werden, wissen wir noch nicht. Wir kennen aber die Wünsche von Seiten der Freiheitlichen und wir kennen auch die ersten Positionen vom Minister, auch wenn er sich nie klar äußert, sondern immer Interpretationsspielraum lässt. Da werden die Kulturinitiativen nicht nur kritisch gesehen, sondern am liebsten auch ausgeblendet.
Gibt es ein großes Narrativ, das wir als Interessenvertretungen nach außen tragen können: Warum es wichtig ist, Kulturarbeit auf dem Niveau, wie wir es betreiben, zu fördern?
Weil Kultur eine wichtige demokratische Funktion ist und die Teilhabe an Kultur schlichtweg ein Menschenrecht darstellt. Sie leistet eine Nahversorgung, eine Grundversorgung, die man in einer diverser werdenden und wachsenden Gesellschaft anbieten muss.
Es geht hier wirklich um eine Grundversorgung, wo wir uns nicht auf solch defensive Diskussionen einlassen sollten. Nicht immer nur Abwehrkämpfe und Rechtfertigungsdiskurse, sondern ganz klar mit einem selbstbewussten Anspruch: Wir leisten hier Basisarbeit im Sinne von Teilhabe und Partizipation, im Sinne kultureller Menschenrechte. Also dieses Selbstbewusstsein, das muss ganz klar da sein. Du benutzt die großen Worte Partizipation und Demokratie. Das sind doch keine Schlagwörter, die bei einer schwarz-blauen Regierung funktionieren.
Müssen wir nicht andere Narrative finden? Die KUPF argumentiert ja tatsächlich auch mit wirtschaftlicher Umwegrentabilität von Kulturarbeit: Diese wirkt gegen den Brain Drain und Vereinsamung, schafft urbane Inseln für RückkehrerInnen aus Wien, letztendlich sogar Arbeitsplätze.
Das kann man auch als Argument einbringen – gerade auch auf Bundesebene, Stichwort ländliche Entwicklung etc. Da ist sicherlich auch mehr für die Kultur herauszuholen, wenn man diese Argumentationsschiene verfolgt. Es ist aber nicht jene, auf die man sich alleine stützen darf, weil da hat man dann mittelfristig wirklich Probleme. Ich sehe diese ganzen funktionalistischen oder instrumentalisierenden Ansätze sehr problematisch.
Es ist wirklich bemerkenswert, wenn man z.B. liest, dass der Kultur- und der Kreativbereich in der Europäischen Union der drittgrößte Arbeitsbereich ist.
Aber wenn ich diese Logiken verwende, dann ist die Zielsetzung eine ganz andere. Dann geht es um Wirtschaftsentwicklung im Sinne von Schaffen neuer Jobs, Schaffung von Gewinnen, die dann wieder verbreitet werden können. Das halte ich für sehr problematisch, vor allem vor dem Hintergrund der jetzigen Regierung, die auch ganz offen sagt: Wir wollen die großen kulturellen Tanker fördern, weil da kommt das Geld auch wieder retour und es ist ja immerhin Steuergeld, das wir investieren. Das ist grundsätzlich abzulehnen. Das mag eine legitime Förderung sein, aber dann ist es eine Wirtschaftsförderung, eine Standortförderung. Die hat ihre Berechtigung, ist aber nicht die Kulturförderung per se, weil es um den kulturellen Output geht. Über den können wir diskutieren, aber Kultur muss sich nicht über so wirtschaftliche Umweltrentabilitäten oder sonstige Spillover-Effekte legitimieren.