blog – Netzkolumne von Leonhard Dobusch
Viele haben wahrscheinlich schon einmal bei einer Diskussion erlebt, dass ein Anliegen oder Kritik mit dem Verweis auf vermeintlich Wichtigeres zurückgewiesen wurde. Weil das bei Online-Diskussionen auf Facebook und Twitter sehr häufig vorkommt, gibt es dort mittlerweile gleich zwei Begriffe für derartige rhetorische Manöver: «Derailing» – was soviel bedeutet wie «entgleisen lassen» – und «Whataboutism», laut Wikipedia «die Ablenkung von unliebsamer Kritik durch Hinweise auf andere wirkliche oder vermeintliche Missstände.»
Besonders betroffen von Derailing und Whataboutism in politischen Auseinandersetzungen sind auch Kulturinitiativen und hier insbesondere die Freie Szene. Sobald sie die Kürzung oder Streichung von Förderungen kritisieren, werden ihre Anliegen gegen dringendere Bedürfnisse abgewogen. Im Vergleich mit Krankenhäusern, SeniorenInnenheimen und Kindergärten – bei denen ja auch bereits gekürzt wird – mag die Finanzierung freier Kulturarbeit leicht wie Luxus wirken. Und im Unterschied zu den «großen Häusern» wird die touristische Bedeutung freier Kulturarbeit vergleichsweise gering (ein)geschätzt – ganz abgesehen von der Frage, ob Umwegrentabilität ein geeigneter Maßstab für die Bewertung von Kulturförderung ist.
Oft ist die beste Antwort auf Derailing und Whataboutism, solche Strategien beim Namen zu nennen. In aktuellen Kürzungsdebatten eröffnen sie aber auch die Möglichkeit, auf deren fundamental falsche Prämissen hinzuweisen: Der Kürzungsdruck ist ein künstlicher, «Sparzwänge» werden bewusst und ideologisch erzeugt. In einem Land mit steigender Produktivität und steigendem Wohlstand ist es alleine eine Frage der politischen Prioritätensetzung, wenn bei Kindergärten und Kultur gekürzt wird und gleichzeitig leistungslose Einkommen wie Erbschaften steuerfrei bleiben.
Genau aus diesem Grund sind Initiativen so wichtig, wie jene gegen Kürzungen im Kulturbudget in Oberösterreich unter → kulturlandretten.at.