Der Schein trügt

Moderate Budgetaufstockungen im Gesundheitsbereich stellen, gepaart mit angekündigten Effizienzsteigerungen, keinen Fortschritt, sondern eine Bedrohung für gute Pflege und Betreuung dar.

Effizienz in der Pflege. Foto: Roman Kraft, Unsplash

Neben den angekündigten radikalen Kürzungen im Budgetvoranschlag der oberösterreichischen Landesregierung erscheint die Ankündigung, das Gesundheitsbudget um 63,8 Millionen Euro aufstocken zu wollen, geradezu wie eine Frohbotschaft. Eine Steigerung der Ausgaben im Gesundheitsbereich bedeutet nun aber noch lange keine Verbesserung. Der demographische Wandel, neue Medizintechnik, bessere Medikamente und nicht zuletzt Gehaltssteigerungen bei den Beschäftigten (auch wenn sie tendenziell sehr niedrig ausfallen) tragen dazu bei, dass öffentliche und private Gesundheitsausgaben jährlich steigen. Es geht der Landesregierung also nicht darum, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, sondern ein bestehendes Leistungsniveau zu erhalten. Da die vorgesehene Ausgabensteigerung dazu nicht reichen wird, muss folglich eingespart werden. Der Euphemismus dafür lautet Effizienzsteigerung. Im Pressestatement zum oberösterreichischen Landesbudget 2018 wird vom «Heben von Effizienzpotenzialen» gesprochen.

 

Letztendlich geht es aber um Einsparungen

Effizienzsteigerung = Einsparung? Foto: Ken Treloar, Unsplash

Im Pflegebereich kommt dem Spardrang das 2016 geänderte Gesundheits- und Krankenpflegegesetz entgegen. Bei der letzten großen Novelle wurde nämlich eine neue Berufsgruppe in der Pflege eingeführt, die Pflegefachassistenz. Mit einer zweijährigen Ausbildung und einem nahezu identen Tätigkeitsbereich, wie jenem der bisherigen dreijährigen Ausbildung, wird diese Berufsgruppe weitgehend die bisher diplomierten Pflegepersonen ersetzen und darüber hinaus bei geringerer Formalqualifikation auch niedrigere Gehälter erhalten. Das Sparpotenzial liegt also in einer Umschichtung der Personalzusammensetzungen im Pflegebereich, hin zu einem Prinzip der Arbeitsteilung innerhalb der Berufsgruppe. Wenige, teure, gut ausgebildete akademische Pflegepersonen sollen an schlechter ausgebildete, billigere Pflegepersonen delegieren. Der Leitsatz hinter diesem als «Skill- and Grademix» titulierten Prinzip ist die Überlegung, dass gut qualifizierte Pflegepersonen sogenannte «niedere Tätigkeiten» nicht mehr selbst übernehmen müssen. Damit einher geht die vermeintliche Aufwertung und somit Attraktivierung der Pflege, die durch diese Änderungen in der Personalzusammensetzung passieren soll. Das Delegieren soll also Effizienz erzeugen, indem nicht mehr alle Pflegepersonen alles machen. Es wird schlichtweg vergessen, dass eine gut ausgebildete Pflegeperson z. B. im Rahmen der Körperpflege nicht nur die Körperpflege an sich durchführt, sondern dabei auch eine Reihe an relevanten Beobachtungen macht und dabei auch gemeinsam mit den Pflegeempfänger*innen Fortschritte im Pflegeprozess planen kann. Zusätzlich gibt es eine Reihe an internationalen Studien, die belegen, dass eine Verlagerung hin zu niedrigerer Qualifikation ein erhöhtes Maß an Patient*innengefährdung erzeugt.

Langzeitfolgen für die Patient*innen

Der Effizienzansatz, der hier verfolgt wird, ist also ein unmittelbarer. Kurzfristige Kosten können gesenkt werden. Eine budgetäre schwarze 0 kann erreicht werden. «Kostendämpfungspfade» können eingehalten werden. Es stellt sich die Frage, wie lange das funktioniert. Schlechte Betreuung im Krankenhaus, Pflegeheim oder zu Hause führen zu Folge-Krankenhausaufenthalten, die wiederum womöglich einen zukünftigen erhöhten Betreuungsbedarf nach sich ziehen. Und das ist nur die ökonomische Perspektive. Viel wichtiger wäre es, sich zu überlegen, was dies konkret für die Menschen bedeutet.

 

Ein subjektiv maximales Gesundheitsgefühl

Was von wem so günstig wie möglich gemacht werden kann. Foto: Paul Stickman, Unsplash

Das Problem ist, dass bei Gesundheits- und Pflegehandlungen die Outcome-Messung für Patient*innen sehr schwierig ist. Effizienz könnte bedeuten, dass beispielsweise Pflegebezieher*innen aus dem Leistungsbezug das für sie beste Outcome bekommen. Sei es ein subjektiv maximales Gesundheitsgefühl oder ein maximales Maß an Selbstbestimmung oder Selbständigkeit. Daraus könnte sich das mindestens notwendige Personal berechnen und Effizienz im Sinne der Leistungsbezieher*innen ableiten. Der Effizienzbegriff, der seitens der oberösterreichischen Landesregierung oder auch anderen Landesregierungen bzw. der Bundesregierung zur Anwendung kommt, ist jedoch einer, der sich an Tätigkeiten, denen Werte zugeordnet werden, orientiert. Es geht darum, was von wem so günstig wie möglich gemacht werden kann, um in unmittelbarer Konsequenz keine weiteren Kosten zu verursachen. Das bedeutet für Pflegepersonen, dass sie sich von pflegerischen Idealen und ethischen Wertvorstellungen verabschieden müssen. Das bedeutet für Pflegebezieher*innen, dass sie ihre Erwartungshaltungen an gute Pflege auf ein Minimum zurückschrauben müssen. Gerade im Bereich der häuslichen Pflege kann dies bedeuten, dass pflegebedürftige Personen vermehrt von unterbezahlten, teilweise schlecht qualifizierten 24h-Betreuer*innen versorgt werden. Und selbst die 24h-Betreuung wird wohl angesichts der geplanten Kürzungen im Sozialbereich für viele nicht mehr finanzierbar sein. Dann bleibt nur mehr die Möglichkeit übrig, dass die Pflege und Betreuung unbezahlt von Angehörigen (meist Frauen) übernommen wird.

 

Kosteneffizienz

Buchtipp: Gabriele Winker (2015): CARE Revolution – Schritte in eine Solidarische Gesellschaft, Bielefeld: transcript

In Bezug auf das geplante Landesbudget bedeutet dies, dass sich kein Mensch von den geplanten Mehrausgaben täuschen lassen sollte. Effizienz im Gesundheitsbereich bedeutet derzeit immer Kosteneffizienz. Das Wohlergehen der Pflegebezieher*innen rückt in den Hintergrund. Der Status Quo der Gesundheitsversorgung ist in keinem der Bundesländer einer, auf den mensch stolz sein kann. Es bräuchte eine massive Aufstockung der Gesundheitsbudgets. Sowohl Gesundheitsbeschäftigte, als auch Pflegebezieher*innen müssen also eine Gesundheitspolitik einfordern, die nicht mit dem Sparstift arbeitet, sondern das Menschenwohl bzw. Patient*innenwohl als oberste Maxime begreift.