Im Jahr 2024 wird Österreich wieder eine Kulturhauptstadt stellen – nach Graz (2003) und Linz (2009). Aktuell läuft der Bewerbungsprozess an. Salzkammergut, Rheintalregion, St. Pölten, Salzburg und und – diverse Städte und Regionen spekulieren mit einer Bewerbung. Wie geht es ProtagonistInnen der Kulturszene damit, dass sich ihre Stadt oder Region fürs Kulturhauptstadtprogramm interessiert?
Heidi Zednik & Petra Kodym
Zwei ins Salzkammergut Eingewanderte, eine aus den USA, eine aus Wien, können vielleicht nicht von ihrer Region sprechen und doch ist die Wahl bewusst auf diese gefallen. Durch die Vermarktung der Region sind wir teils ein Disneyland geworden. Als Kulturhauptstadt könnten wir dem Tourismusmarketingkitsch noch mehr verfallen. Der Preis wäre ein Verlust an Kultur, gepaart mit zunehmender Ignoranz gegenüber zeitgenössischer Kunst. Ob eine ganze Region überhaupt als Kulturhauptstadt funktioniert, hängt stark von den Verantwortlichen und deren Kulturverständnis und Feingefühl ab. Gelingt es ein starkes, zeitgenössisches, kritisches und spannendes Konzept umzusetzen, könnte dieser Versuch spannend werden. Ganz allgemein gesehen haben die meisten ehemaligen europäischen Kulturhauptstädte langfristig nicht von einem Kulturtourismusjahr profitiert.
Tomas Friedmann
Salzburg wird gern als SOUNDOFMUSIC wahrgenommen: Mozart, Festspiele, barocke Architektur in schöner Landschaft zwischen Bergen und Seen. Doch ist das Wirklichkeit für die hier lebenden Menschen? Salzburg versteht sich als Stadt und Land der Kultur – und hat in vergangenen Jahrzehnten eine lebendige Gegenwartskunst entwickelt. Dennoch wandern (junge) Kreative und Künstler*innen ab, weil sie vorhandene Räume oft als zu eng empfinden, anderswo bessere Produktionsbedingungen vorfinden, das Leben zu teuer ist. Eine Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2024 bietet die Chance, soziokulturelle Strukturen, Integration und Wohnbau, Verkehr und Tourismus, Ökologie und Forschung etc. kritisch zu hinterfragen und weiter zu entwickeln. Es geht um einen „Sound of Future“, um vernetztes Denken und Handeln. Das ist Kulturarbeit im 21. Jahrhundert.
Mirjam Steinbock
Ich lebe seit zehn Jahren in Bregenz und fühle mich an diesem inspirierenden Ort sehr wohl. Nicht nur die Stadt, das ganze Land Vorarlberg ist ein wahres Eldorado für Menschen, die Kunst und Kultur hautnah erleben möchten. Diejenigen, die sich tagtäglich unermüdlich dafür einsetzen, tragen wesentlich zu Anregung, Reflexion und Identitätsbildung bei. Sollte sich Bregenz nun bewusst zu den heimischen Kulturschaffenden bekennen, offen für Ideen sein, der freien Szene wie den großen Institutionen faire Produktionsbedingungen bieten, ausdrücken, dass die künstlerisch-kulturelle Entwicklung unter Einbindung der Bevölkerung willkommen ist und das alles dann noch selbstbewusst nach außen tragen, würde das in meinen Augen einer Haltung entsprechen, die attraktiver nicht sein könnte. Ganz egal, ob Kulturhauptstadt oder nicht.
Jakob Redl
Meine Stadt als Kulturhauptstadt? JA, das klingt spannend, im Falle St. Pöltens sicher auch nach einer großen Überraschung! Wenn wir es aber schaffen, die Bevölkerung davon zu überzeugen, gemeinsam eine spannende und herausfordernde Reise von der Geschichte über die Gegenwart bis in die Zukunft anzutreten, wenn wir alten Klischees kreativ begegnen, die Potentiale der Stadt und der Region entfalten, soziale Inklusion als Kultur begreifen und uns künstlerisch und kulturell von zeitgenössischen europäischen Ideen und Innovationen inspirieren lassen, ja, dann kann diese Vision Realität werden.
Mit diesem Ziel geht’s mir gut und ich bin gespannt, motiviert, realistisch, gefordert, erwartungsfroh, aber vor allem sicher, dass der Prozess, den wir als Plattform „KulturhauptSTART“ gestartet haben, durch die Ideen und Kooperationen bereits seine ersten Früchte trägt. Ganz unabhängig von jedem Titel.