Eine Gnackwatsch’n für linken Nationalismus – gekoppelt an die Aufforderung, Europa zu gestalten.
Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Nationalismus. Das wirklich Schlimme ist: auch Teile der Linken entdecken ihn für sich, sie nennen ihn nur anders. Sie sprechen von Souveränität, von Wiedererlangung der Entscheidungsgewalt, die wir angeblich an mächtige Zirkel in Brüssel verloren hätten, die ausschließlich die Interessen der großen Konzerne verfolgen würden. Nun, ganz falsch ist das nicht, weil wirklich vieles falsch läuft. Die EU ist derzeit nicht in der Lage, Probleme zu lösen. Das einzige, das reibungslos funktioniert, ist die Durchsetzung neoliberaler Wirtschafts- und Sparpolitik zum Nutzen weniger und zum Schaden vieler. Ein Blick nach Griechenland zeigt deutlich die verheerenden Auswirkungen dieser Austeritätspolitik, die zur Verelendung weiter Teile der Bevölkerung führt. Auch außerhalb Griechenlands kann die EU das Wohlstandsversprechen nicht einlösen, keinen Schutz bieten und keine Alternativen entwickeln zu den Umwälzungen, die Globalisierung und Digitalisierung für die Menschen bedeuten. Gar nicht zu reden von der desaströsen Handelspolitik, die beispielsweise ganze Wirtschaftszweige in der Subsahara-Region auslöscht und die Menschen zur Flucht in den Norden zwingt. Nur, was ist die Konsequenz daraus? Frexit? Nexit? Öxit? Lexit? Glaubt wirklich jemand, dass die Nationalstaaten sich besser schlagen werden? Das ist höchst unwahrscheinlich, denn das Grundproblem ist nicht das Fehlen nationaler Politik, sondern ihr Weiterbestehen innerhalb der EU. Die Entscheidungen in Brüssel, die linke EU-KritikerInnen zurecht auf die Palme bringen, werden nicht von finsteren BürokratInnen, WirtschaftslobbyistInnen und WaffenproduzentInnen getroffen, sondern von national gewählten PolitikerInnen. Niemand hindert die Linke daran, Wahlen zu gewinnen. Es ist ihre permanente Schwäche, die dafür sorgt, dass die EU großteils ein neoliberales Wirtschaftsprojekt ist. Während die ApologetInnen des Neoliberalismus schon längst grenzenlos denken und handeln, ist das in der Linken vor allem Rhetorik. Aus der EU auszutreten und sie damit abzuschaffen, hieße nichts anderes, als das Kind mit dem Bade auszuschütten. Eine prinzipiell richtige Entwicklung zu Fall zu bringen und damit letztlich das schmutzige Geschäft der Rechten zu besorgen. Die Linke muss Europa gestalten, anstatt es zu zerstören. Für eine demokratische EU, eine soziale EU, eine solidarische EU und eine starke EU kämpfen, die den Nationalstaat und alle damit verbundenen Irrwege endgültig hinter sich lässt. Das müssen wir angehen. Und zwar gemeinsam.