… Kathrin Kneissel zur europäischen Kulturhauptstadt

Kathrin Kneissel ist Leiterin der Abteilung für Europäische und internationale Kulturpolitik im BKA. Wir haben sie zum Kulturhauptstadtprogramm befragt:

Frau Kneissel, was muss die künftige Kulturhauptstadt 2024 können?

K. KneisselDie künftige Kulturhauptstadt sollte offen mit ihren Problemen und Schwächen umgehen. Nur wer sich diesen Herausforderungen stellt, kann den Titel optimal nützen. Linz09 beispielsweise hat die Verbindung mit der Nazizeit aufgegriffen und die Stadt Liverpool behandelte 2008 ihre Rolle im Sklavenhandel.
Die übergeordnete Vision einer Kulturhauptstadt sollte europäisch sein. Es sollten nicht nur die Gemeinsamkeiten, sondern auch die Vielfalt der Kulturen in Europa in der Kulturstrategie Platz finden.
Jeder Bewerberstadt muss klar sein, dass es sich bei der Europäischen Kulturhauptstadt um ein Langzeitprojekt handelt. Das Geheimnis ist, dass sich die Städte klar werden, was der Ist-Zustand ist und was sie daraus machen wollen.

Und was muss sie vermeiden?

Man sollte vermeiden, den Titel einzig und allein als Tourismusmaschine anzusehen. Natürlich haben viele Kulturhauptstädte auch wirtschaftliche und soziale Vorteile durch den Titel erhalten. Es wurde oft in Infrastruktur investiert und am Image gebastelt. Im besten Falle profitieren die Städte auch wirtschaftlich langfristig. Jedoch ist das eigentliche Ziel der Kulturhauptstadt, ihr internationales Profil durch Kultur zu stärken und sich auf die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu konzentrieren.
Es ist wichtig, dass sich die angehende Kulturhauptstadt 2024 nicht in ihren Zielen überschätzt. Man muss keine riesige Anzahl an Events und Projekten haben. Wichtig ist, dass sich die Stadt ihrer Möglichkeiten bewusst ist.

Auffallend ist, dass sich in den letzten Jahren etliche kleinere Städte und auch Regionen um den Titel bemühen. Kann eine Region eigentlich Kulturhauptstadt werden?

Eine Region an sich kann keine Kulturhauptstadt werden. Für die Bewerbung ist es nötig, eine Stadt zu bestimmen, die dann die umliegende Region mit ihren Städten miteinbeziehen kann. Beispielsweise hat Marseille dies 2013 mit der Region Provence gemacht. Wichtig ist auch, dass sich die Region bewusst ist, welchen Mehrwert sie im Gegensatz zu einer einzelnen Stadt mitbringt.

Das Verhältnis zwischen Kulturhauptstädten und ihren Freien Szenen scheint oft angespannt. Was empfehlen Sie den freischaffenden Kulturschaffenden im Umgang mit „Kulturhauptstadt“?

Die Freie Szene ist immer ein wichtiger Impulsgeber für die Kultur eines Landes bzw. einer Region. Ich würde die Frage daher umdrehen und den Kulturhauptstadtverantwortlichen dazu raten, diesen innovativen und beispielgebenden Bereich von Anfang an aktiv einzubeziehen.
Referenzierter Artikel:

FAQ Kulturhauptstadt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.