Eine aktuelle Studie des Landes Oberösterreich belegt den wirtschaftlichen Nutzen von Kulturförderungen. Dieses Argument der Umwegrentabilität klingt gut, birgt aber auch Gefahren in sich, meint Angelika Lingitz von der IG Kultur Steiermark.
Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte werden zunehmend mit dem Verweis auf die angespannte finanzielle Situation hinterfragt. Das gilt auch für den Kunst- und Kulturbereich. Es werden so vermehrt Studien und Umfragen angefertigt, um auch diesen Bereich einer quantifizierbaren Vermessung zu unterziehen. Jeder Auftraggeber einer Studie hat aber seine Anliegen im Sinn. Mit der GAW-Studie [1] für Oberösterreich wird der Weg der wirtschaftlichen Nutzenserklärung von Ausgaben für Kunst und Kultur gegangen.
Die GAW-Studie kommt zu folgenden Schlussfolgerungen: Kulturausgaben steigern die Attraktivität einer Region; sie stellen langfristige Investitionen in die Zukunft dar, sie pushen das Wirtschaftswachstum, sie sind kein „normales“ Gut, ihnen steht auch ein unmittelbarer Nutzen durch positive regionalwirtschaftliche Effekte auf Wirtschaftsleistung und Beschäftigung gegenüber und dieser Nutzen wirkt auch außerhalb der Region.
Die Studie weist explizit darauf hin, dass die Ausgaben der öffentlichen Hand niemals nur als Kosten begriffen werden dürfen, sondern vielmehr wichtige Impulse für die zukünftige Entwicklung einer Region sind. Kunst und Kultur sei kein „normales“ Handelsgut, denn aufgrund des Marktversagens in diesem Bereich – das Angebot wird im Vergleich zu seiner gesellschaftlichen Bedeutung zu wenig konsumiert – besteht per se ein öffentliches Interesse an seiner Förderung. Es scheint, als müsste mit der Studie der bisherige politische Konsens bewiesen werden, dass Kunst und Kultur für sich selbst stehen und wichtig für gesellschaftliche Weiterentwicklung sind. Dass die Ausgaben der öffentlichen Hand eine Investition in die Zukunft sind und nicht nur Einsparungspotential.
Vom kulturellen Angebot einer Region profitiere nicht nur das Netzwerk an Betrieben und Personen, das für die Umsetzung direkt oder indirekt notwendig ist, sondern auch Tourismus, Beherbergung und Gastronomie. In der Steiermark präsentierte die Theaterholding Graz im Jänner 2016 die Ergebnisse einer Untersuchung ihres positiven volkswirtschaftlichen Gesamteffektes auf die Steiermark [2]. Ziel der Studie war es, die Theaterholding in ihrer Funktion als Wirtschaftsfaktor zu erfassen. Das ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass der für die Subventionsvergabe zuständige Kulturlandesrat gleichzeitig Wirtschaftslandesrat ist, und so versucht wird, seine „Sprache“ zu sprechen. Begreift sich die Theaterholding aber selbst vorrangig als Wirtschaftsbetrieb, degradiert sich dann nicht Kunst und Kultur zum normalen Handelsgut und unterwirft sich damit den Mechanismen des Marktes?
In der GAW-Studie werden auch die kurzfristigen regionalwirtschaftlichen Effekte von Kulturausgaben gegenüber dem Referenz-Szenario „Welt ohne Kulturausgaben des Landes Oberösterreich“ ermittelt. Es befällt einen schon das Gruseln, da im Steirischen Landtagswahlkampf 2015 die FPÖ genau das gefordert hatte. Nämlich der Kultur sämtliche Förderungen zu streichen und stattdessen die Wirtschaftsförderungen zu erhöhen. Die Kulturausgaben des Landes Oberösterreich leisteten laut GAW-Studie einen positiven Beitrag zum Bruttoregionalprodukt von beeindruckenden 190 Millionen Euro. Werden die Kulturausgaben damit nicht auf eine reine Wirtschaftsförderung reduziert?
Die Attraktivität einer Region hänge stark mit deren Lebensqualität zusammen. Speziell für gut ausgebildete Personen sei auch das kulturelle Angebot einer Region wichtig für die Entscheidung, sich niederzulassen. Diese „kreative Klasse“ zeichne sich durch hohe Mobilität aus, ziehe in für sie attraktive Regionen und trage überproportional zu Wachstum und Wohlstand einer Region bei. Ähnliches zeigen die Befragungsergebnisse für Oberösterreich. Die Bedeutung des Kunst- und Kulturangebots für die Wahl des Wohnorts steigt mit dem Bildungsgrad. Auf den ersten Blick eine Chance für den ländlichen Raum, mit dem Schaffen eines kulturellen Angebotes dem Problem der Abwanderung zu begegnen. Würden Kultureinrichtungen sich aber damit nicht selbst zu wirtschaftlichen Regionalentwicklern degradieren?
Es herrscht somit eine paradoxe Situation. Vordergründig wird eine Debatte um die Kulturausgaben und das Kulturangebot geführt. Im Hintergrund gibt es aber vermehrt ein Gezerre um die politische Deutungshohheit des Kulturbegriffes, das mit dem Spannungsfeld „Hochkultur – Partizipative Kultur – Leitkultur“ umschrieben werden kann. Dies muss der eigentliche Schauplatz der Kulturdebatte sein und nicht eine fadenscheinige Diskussion um Umwegrentabilitäten.
Quellen:
[1] Regionalwirtschaftliche Analyse der Umwegrentabilität der Ausgaben im Kulturbereich Eine regionalwirtschaftliche Analyse für das Bundesland Oberösterreich, August 2016, GAW – Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung KG
[2] Impactanalyse Theaterholding Graz, Volkswirtschaftliche Effekte der Theaterholding Graz/Steiermark GmbH und ihrer Tochtergesellschaften, Jänner 2016, Joanneum Research Forschungsgesellschaft mbH
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Kommentar der KUPF
Kultur & Studie
Wenn LH Pühringer eine aufwendige volkswirtschaftliche Studie zur Umwegrentabilität von Kulturausgaben in Auftrag gibt, gilt dies natürlich der Verteidigung seiner Kulturpolitik: Sowohl blaue als auch schwarze Begehrlichkeiten nach dem Kulturbudget gefährden ein kleines Stück Lebenswerk von Pühringer, dessen Person eng mit dem Aufstieg von Landesmusikschulwerk oder Musiktheater verbunden ist. Es ist also nur clever, bereits jetzt (wirtschaftsaffine) Argumente gegen die Einsparer in Stellung zu bringen.
Für die KUPF und andere stellt sich natürlich die Frage, wie weit sie selbst mit Umwegrentabilität argumentieren sollen – und wann einem genau diese Argumente auf den Kopf fallen. Denn eine Kulturförderung aufgrund wirtschaftlicher Relevanz würde möglicherweise jene ins Out drängen, die kaum zur Verwertbarkeit, zur regionalen Aufwertung, zur Steigerung der Nächtigungszahlen oder zur Unterhaltung der kreativen Klasse taugen: kleine Player, experimentelles Kulturschaffen, Erinnerungskultur und viele andere.
Nicht nur der Landeshauptmann forscht, evaluiert und quantifiziert im kulturellen Sektor – von der EU bis zur KUPF frönen derzeit viele der Statistik, auch ganz abseits von Umwegrentabilitäten. Eine Auswahl aktueller Studien:
„Regionalwirtschaftliche Analyse der Umwegrentabilität der Ausgaben im Kulturbereich“. Studie der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung im Auftrag des Land OÖ, August 2016
„OÖ Kulturstudie 2016“. Jährliche Studie des Meinungsforschungsinstitut Market zur oberösterreichischen Kultur im Meinungsbild der Bevölkerung im Auftrag des Land OÖ, September 2016
„KUPF Basisdatenerhebung 2016“. Jährliche statistische Erhebung der KUPF zu den Basisdaten (Finanzen, Förderungen, Arbeitseinsatz, Publikum …) ihrer Mitgliedsinitiativen, September 2016
„Alternativer Kulturbericht 2016“. Auf Anregung der KUPF findet seit jüngstem auch eine österreichische Basisdatenerhebung statt, durchgeführt von der IG Kultur Ö und Interessenvertretungen in den Bundesländern, Dezember 2016
„Cultural Statistics 2016“. EU-Studie zu kulturellen und kultur- bis kreativwirtschaftlichen Kennzahlen, Juli 2016