Sommer, du
Als ob der Sommer lachen, als ob er uns verhöhnen, als ob er schreien würde: Seht, wie alles weitergeht, seht, wie schön, wie warm es ist. Seht, wie schnell das Unbegreifliche zur Normalität wird und wir aufhören, die Köpfe zu schütteln und stattdessen mit den Achseln zucken. Eine mit den Zuständen im Lager gut vertraute Person erzählt, dass sich in den Bussen Babys befinden würden. Für sie sei das Ausharren in den zum Teil in der Sonne stehenden Fahrzeugen besonders schlimm. Als Lagermitarbeiter versucht hätten, Windeln zu den Bussen zu bringen, sei ihnen dies verboten worden. Diese drei Sätze lese ich am 10. August 2015 über die Zustände auf dem Areal der Sicherheitsakademie der Polizei in Traiskirchen, wo neu ankommende Flüchtlinge auf ihre erste Befragung und Gesundenuntersuchung warten. Draußen brennt einstweilen die Sonne, dieses Jahr werden wir so viele Sternschnuppen sehen wie nie, hat jemand in der Nacht zuvor gesagt. Jahrhundertsommer, du schöner, du. Auch das Legen eines Gartenschlauchs zwecks Frischwasserzufuhr zum Parkplatz habe die Polizei untersagt. Von einem solchen Konflikt sei ihm nichts bekannt, meint dazu Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Sommer 2015, du. Hinter mir einstweilen der Sarstein, der Herzberg, vor ein paar Wochen sprach auf der Hütte jemand von den Flüchtlingen in Goisern, dass ein Mann dort in den Gang gemacht und sich geweigert hätte, es wegzuputzen, das würden bei ihm zuhause die Frauen machen. So ist es mir erzählt worden, fügte der Mann auf der Hütte hinzu, als wir zu ihm hinüberschauten. Über uns der Sarsteingipfel, es war einer der ersten Hitzetage, Sommer 2015, ich habe Angst vor dir.
Und dann aber die Nachbarin, die sagt, dass es in Bad Goisern schon fast zu viele sind, die helfen möchten, dass die anfänglichen Ängste unbegründet waren, dass die Flüchtlinge nette Leute seien. Und der Nachbar noch einige Häuser weiter, der von seinem Rad stieg und erzählte, dass er einer Gruppe regelmäßig vorliest, auch wenn sie noch wenig verstehen. Solche Geschichten dürfen nicht vergessen, solche Geschichten müssen weitergeschrieben werden, sonst bleibt uns nichts nach dem Sommer 2015, als die Worte Zelt und Lager einen bitteren Beigeschmack bekamen.
Anna Weidenholzer ist Autorin, lebt und arbeitet in Wien und Linz.