Von Kunst leben?

Andi Wahls Kolumne

Kürzlich war ich mit einem befreundeten Literaten auf Tour. Wir saßen Stunden im Zug. Zeit genug, um einige Themen zu erörtern. Unter anderem kamen wir auf seinen Anspruch „von meiner Kunst leben zu können“ zu sprechen. Würde er, so mein Freund, einer geregelten Arbeit nachgehen, wäre er in seinem literarischen Schaffen massiv beeinträchtigt. Mich macht so eine Haltung immer fuchsteufelswild.

So habe ich ihm vorgerechnet, dass ein Mensch, der 80 Jahre alt wird und 40 Jahre ununterbrochen einem 36-Stunden-Job nachgeht etwa 8,5 % seines Lebens arbeitet. 91,5 % seines Lebens tut er das nicht! So riet ich ihm, seine kreativen Phasen in die 91,5 % seines Lebens, die er „frei“ hätte (so er arbeiten würde) zu verschieben. Würde ihm da nichts einfallen, das wert wäre, zu Papier gebracht zu werden, dann solle er dies als Zeichen nehmen, dass die Schreiberei einfach nix ist für ihn. Es würden ohnehin jedes Jahr mehr Bücher erscheinen als man in einem Leben lesen könne. Hingegen stünden viele Kinder ohne Nachhilfe da, sollten mit den Insass_innen von Seniorenheimen viel mehr Ausflüge gemacht werden und gehöre der Altglascontainer öfter geleert.

Das ist natürlich eine reaktionäre, unsensible, kunst- und intellektuellenfeindliche Position. Darum möchte ich mich hier bei allen, die auch nicht von ihrer Kunst leben können, reuig entschuldigen.