Im Leitartikel beschäftigt sich der frische KUPF-Geschäftsführer Thomas Diesenreiter mit neuen Stimmen aus Ämtern der Bundesebene. Aber auch interessante Stimmungsschwankungen in Oö kommen ihm unter und – wie schon vor zwei Ausgaben an dieser Stelle – stimmt er zuversichtlich.
Selten war Österreichs Politik so spannend wie in den letzten Wochen. Nie zuvor gab es in der zweiten Republik eine Bundespräsidenten-Stichwahl ohne einen Kandidaten der beiden ehemaligen Großparteien. Die SPÖ hat nach diesem historischen Desaster ihren Reservekanzler Christian Kern in die erste Reihe geholt, dessen größter Verdienst zuvor die Sanierung der Staatsbahn war, vor allem die ihres Images. Seine ersten Statements und Personalentscheidungen legen den Schluss nahe, dass er eine ähnliche Strategie verfolgen wird wie bei den ÖBB: In seiner Antrittsrede im Parlament war einer seiner wesentlichen Eckpunkte das „Drehen der Stimmung“, eine pragmatische Anerkennung des Umstands, dass unser gesellschaftliches System heute mehr von Emotionen als von Fakten bestimmt wird. Sein Kalkül kann aufgehen: In der ersten Sonntagsfrage konnte seine Partei das erste Mal seit Jahren wieder signifikant zulegen, bei der Kanzlerfrage konnte er aus dem Stand heraus den ersten Platz erobern.
Dass es bei Urnengängen nicht nur auf die Stimmen, sondern auch auf die Stimmung ankommt, konnten wir bei der Stichwahl beobachten. Dass Faymann, innenpolitisches Hauptfeindbild der FPÖ, von der Bühne gestiegen ist, hat sie spürbar Momentum gekostet, der starke Antritt Kerns dann vielleicht sogar die Wahl. Mit dem knappen Ergebnis scheint sich ein Stimmungsbild zu bewahrheiten, das Österreichs Medien in den Wochen zuvor malten: das Bild einer Republik, die in eine linke und rechte Hälfte gespalten sei. Es ist anzunehmen, dass diese Behauptung wohl mehr der Steigerung der Auflagenzahlen dient, als dass sie eine Beschreibung der Realität darstellt. Denn Österreich hat mehr denn je eine hochkomplexe, vielschichtige und dynamische Gesellschaft, die mit einfachen Erzählmustern nur unzureichend beschreibbar ist. Das erhöht den Druck auf PolitikerInnen und macht Wahlergebnisse immer schwerer vorhersehbar. Spüren musste das beim zweiten Wahlgang auch die FPÖ Wels: Wo Rabl in der Stichwahl um das Bürgermeisteramt vor wenigen Monaten noch fast zwei Drittel der Stimmen erreichte, konnte die FPÖ für Hofer nur noch 48% der Stimmen holen.
Die Stimmung scheint sich auch an einer anderen Front zu drehen: Einer der Architekten der schwarz-blauen Regierung Oberösterreichs, ÖVP Wirtschaftslandesrat Michael Strugl, hat laut Life Radio erkannt, dass ein politischer Rechtsruck auch wirtschaftspolitische Konsequenzen haben kann: „Wenn Österreich den Eindruck erweckt, dass es ein fremdenfeindliches Land ist, könnte uns das Arbeitsplätze kosten“. Er habe mit Vorständen von mehreren großen, internationalen Unternehmen gesprochen: BMW, Lenzing, Steyr Motors und Rosenbauer. Sie alle werden immer öfter von Fachkräften im Ausland angesprochen, ob sie als Ausländer in Österreich überhaupt willkommen seien. Ob sie und ihre Familien hier noch gut leben könnten. „Österreich müsse achtgeben, dass es weiter weltoffen wirkt“, sagt Strugl weiter. Uns bleibt zu appellieren, dass die ÖVP Weltoffenheit nicht nur als Frage des Images, sondern als Leitlinie moderner Politik auf- und begreift.
„Wir werden eine andere Kultur brauchen“, hat der neue Bundespräsident Van der Bellen in seiner ersten Ansprache nach dem Wahlsieg erklärt. Er spielt damit auf den „New Deal“ an, den der neue Bundeskanzler Kern für Österreich schmieden möchte. Einen solchen „New Deal“ braucht es auch in der Kulturpolitik. Der neue Kulturminister und gebürtige Oberösterreicher, Thomas Drozda, gibt in einem Interview mit der APA durchaus Anlass zur Hoffnung. Auf die Frage, ob ihm Alternativ- und Subkultur ein Anliegen sind, antwortet er: „Ich werde mein Möglichstes tun, auch dafür eine adäquate Ressourcenausstattung sicherzustellen. Ich finde das als Sozialdemokrat relevant.“
Es scheint sich ein kleines Fenster aufzutun, im dem wir das Ruder in diesem Land noch einmal rumreissen können. Machen wir etwas daraus.