Rechtsruck und Spardruck

Welche Auswirkungen haben sie auf den Kulturbereich? Expertinnen kommentieren drei unterschiedliche Fallbeispiele aus Kärnten, der Steiermark und Ungarn.

 

I. Wie überlebt man elf Jahre Haider? Was ist danach geschehen?

Down Under*: Was war, was ist, was wird?

Um der Wahrheit genüge zu tun: Nicht alles, was böse ist, kommt von den Freiheitlichen. So wie in anderen Bundesländern, hat sich die Kärntner Kulturpolitik auch schon vor der haiderschen Umdrehung großteils durch Provinzialität und Kleingeistigkeit «ausgezeichnet».

Zu behaupten, die FPÖ hätte mit ihrer Machtübernahme im Jahr 1999 einen Trend quasi nur fortgesetzt, wäre freilich eine grobe Untertreibung: Jörg Haider war Referent für Kultur und Bildung, wohlwissend, dass sich mit diesen trefflich Öffentlichkeitspolitik im freiheitlichen (und haiderschen) Sinne betreiben lässt. Die Folgen im Kulturbereich – eklatante Kürzungen bis auf null der als widerständig betrachteten Kultur, bei gleichzeitig massiver Erhöhung des Budgetpostens «Volkskultur» – sind auch über Kärntner Grenzen hinlänglich bekannt. Die «traditionell» virulente Kärntner Abwanderungsproblematik war im Kulturbereich verstärkt wahrnehmbar, die Ausdünnung der ohnehin schütteren Freien Kulturlandschaft massiv.
Der Kärntner Frühling von 2013 ließ die Freie Szene aufatmen. Die Aufbruchsstimmung ging mit einer Vernetzung der Freien Szene einher. Zudem war mit Wolfgang Waldner (ÖVP) eine Person ans kulturpolitische Ruder des Landes gekommen, die glaubhaft Interesse an freier Kulturarbeit signalisierte und eine höchst notwendige Kurskorrektur in Aussicht stellte: Es gab kurzfristige Finanzspritzen für wirtschaftlich arg in Bedrängnis geratene Initiativen und auch der Interessensvertretung freier Kulturarbeit (IG KIKK) wurde nach Jahren der erzwungenen Ehrenamtlichkeit professionelle Arbeit durch Förderung ermöglicht. Zudem wurde mit der «Transformale» der Versuch unternommen, ein überregional ausstrahlendes Kunst- und Kulturfestival zu etablieren, an dem auch die lokale Freie Szene partizipieren sollte.
Mit dem Abgang Waldners als Kulturreferent und seinem Nachfolger, dem Forstwirt Christian Benger, verwandelte sich der Kärntner Kulturjauk (aus dem Slowenischen für Föhn) in eine elende Flaute. Dem neuen Landesrat fiel nichts Besseres ein, als, nach einer Dekade der Volkskultur, 2015 zum Jahr des Brauchtums zu erklären. Das zarte Pflänzchen Transformale ist mittlerweile de facto abgeschafft.

Spätestens seit der Beinahe-Insolvenz des Bundeslandes, kann sich Benger leicht darauf hinausreden, dass für eine Anhebung des Kulturbudgets und erst recht des Postens für freie Kulturinitiativen, schlicht kein Knödel da sei. Auch die Basisdatenerhebung der IG KIKK, die anschaulich machte, wie relevant Freie Kulturarbeit für Kärnten (bei gleichzeitig notorischer Unterförderung) ist, konnte an dem politischen Unwillen nichts ändern.

2016 wird in Kärnten das  Jahr der Freien Szene werden. So hat es der Referent verkündet. Dass sich an der tristen Situation der Menschen, die diese Szene ausmachen, wenig ändern wird, ist klar. Zuviel Boden wurde in den letzten fünfzehn Jahren verbrannt; alles andere als eine deutliche Erhöhung der Förderung initiativer Kulturarbeit und einer Reform der Förderstandards ist Makulatur und schlichter Hohn.
Im besten Fall bewirkt der Landeskulturfokus auf die Freie Szene einen öffentlichen Wahnehmungsschub. Hosianna!
Aus dem Kärntner Kulturkampf lässt sich lernen, dass nicht alles, was nach ewiggestriger Kulturpolitik stinkt, freiheitlich sein muss.Vor allem aber ist es dringend notwendig, neue, kreative, bewusst unzeitgemäße Möglichkeiten der Kulturförderung und -akzeptanz zu entwickeln, denn die Zeichen stehen immer noch, und vermehrt, auf Sturm! Und das betrifft nicht nur Down Under.
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* Der Titel ist der Initiative „Kärnten Down Under“ des Kärntner Kunstvereins entlehnt.

David Guttner, ehrenamtlich im Vorstand der IG Kultur Österreich. Hält sich derzeit, nach einem Jahr als Sekretär der IG KIKK, hinter seinen Kärntner Weinreben versteckt.
 

 

II: Was passiert eigentlich in der Steiermark: Kann man von einem kulturellen Paradigmenwechsel sprechen?

Das ist keine Kunst

Schauplatz: Café Promenade, Stadtpark, Graz, Sommer 2013.
2 von 8 Künstlerinnen, die sich für ein feministisches Kunstprojekt im öffentlichen Raum zusammengetan haben, treffen dort den Vorsitzenden des «Kulturkuratoriums », jenes Gremiums, das die Subventionsansuchen beurteilt. Der Grund: das Projekt wurde negativ beurteilt, die Projektansuchenden haben deshalb das Recht einer Anhörung vor dem Gremium. – Im mehr oder weniger lauschigen Gastgarten erklären die beiden Künstlerinnen das Projekt, wie im Ansuchen beschrieben, vor allem die Arbeitsbegriffe Anamnese, Recherche, allergene Zonen, kollektiver Mappingprozess und das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit, eine Landkarte. «Eine Landkarte ist keine Kunst!», so der Befund des Kuratoriumsvorsitzenden.* Paradigmenwechsel in der Steiermark. Wir brauchen keine ungehobelten Feschisten in der Regierung, um einen solchen zu verorten. Populistische Steuerungsmethoden (Angst, Entsolidarisierung, Ausgrenzung, Konkurrenz) und Herrenmenschentum behaupten sich in der Politik aufs augenscheinlichste seit 2010, der Gründung der Reformpartnerschaft von SPÖVP. Zur strikten Durchsetzung des Neoliberalismus- rojektes braucht es starke Vehikel, Chauvinismus, Gruppennarzismus und Abschottung sind die wesentlichen. Zur Durchsetzung des Neoliberalismus im Kulturressort wird ein Mitglied des Wirtschaftsbundes beordert. Eine der ersten Handlungen des Landesrats ist die Abschaffung sowie die strukturelle und personelle Neuerfindung des Beiratssystems. Dazu gehört die «Berufung» eines mit Meinungsführerschaft ausgestatteten Vorsitzenden, ein Parteifreund und Wirtschaftstreibender. «Mir braucht von den Künstlern keiner was zu erklären», sagt der Landesrat und der Gremiumsvorsitzende nickt.

Multiple Diskriminierungstechniken (von der symbolischen bis zur strukturellen) werden eingesetzt, um das sukzessive Aushungern der freien Kulturinitiativen schönzureden: «Künstler können nicht rechnen» oder «Kunst ohne Zuseher befindet sich im Hobbybereich » oder «die IG lügt».

Um die «Spreu vom Weizen zu trennen» wird auch vor gewaltsamen Mitteln wie Drohungen und Schreianfällen kein Halt gemacht. Jene, die sich unterordnen werden belohnt, indem sie wenigstens von Budgetkürzungen verschont werden.

That’s what’s the deal we’re dealing in
But the torture stops if we want
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* für Neugierige: Die Künstlerinnen haben den „Rat“ des Gremiumsvorsitzenden, ein neues Ansuchen zu stellen in einer allgemein verständlichen Sprache, die um alle „verwirrenden“, nicht aus der Kunst kommenden Begriffe bereinigt ist, nicht angenommen. Das Projekt wurde wie geplant, ohne Landessubvention in verkleinerter Form umgesetzt.

Anita Hofer ist Künstlerin und Kulturaktivistin; Leiterin der Plattform Kultur in Graz, Vorstandsvorsitzende der IG Kultur Steiermark und Obfrau der IG Kultur Österreich.

 

III. Wie hat sich die weitgehende Zerschlagung des kritischen Kulturbetriebs in Ungarn unter Orbán vollzogen?

Völkische Nationalkultur

In Ungarn haben die Nationalist_Innen schon längst die Kulturlandschaft in ihrer Hand. Viele Kulturinstitutionen sind zu einem Propagandainstrument der Regierung und deren rechtsnationalistischen Vorstellungen verkommen. Wer da nicht mitmacht, dem werden die Gelder gestrichen. Dadurch wurde die alternative Kunstszene zwar stärker politisiert, kämpft aber unter erschwerten Bedingungen um ihre bloße Existenz. Die Kulturausgaben insgesamt wurden radikal gekürzt. Die Verteilung der übrig gebliebenen Mittel liegen zum großen Teil in den Händen der ungarischen Akademie der Künste unter Leitung des Reaktionären György Fekete. Für Viktor Orbáns Kulturschaffende zählt nicht das Schöne, Wahre und Gute und schon gar nichts, was die Nationalist_Innen und Konservativen erzürnen könnte. Es zählt ein Narrativ des großen ungarischen Volkes zu erzählen, das keinen Platz lässt für Minderheiten wie Roma. So wollte das Filmfestival «CineFest» 2014 in der nordungarischen Stadt Miskolc keine Filme zur Situation der Roma in Ungarn zeigen. Es wird vermutet, dass den Veranstalter_Innen ansonsten staatliche Gelder gestrichen würden. Der ungarische Schriftsteller Ákos Kertész erhielt 2013 Asyl in Kanada, nachdem eine antisemitische Hetzkampagne gegen ihn gestartet wurde. Dem ShoahÜberlebenden Kertész wurde die Ehrenbürgerschaft der Stadt Budapest wegen «antiungarischen Verhaltens » abgesprochen. Wie schlimm muss die Situation in Ungarn sein, wenn ein Staatsbürger der europäischen Union Asyl in Kanada erhält? Das Beispiel von Ákos Kertész ist nur ein besonders krasses. Die Kulturschaffenden verlassen in Scharen das Land.

Ein kleiner Lichtblick ist da noch die Filmförderung, die über den Ex-Hollywood-Produzenten Andy Vajna läuft. Der ist zwar auch tief in den Fidesz-Sumpf um Orbán verstrickt, fördert aber manchmal gute Filme. Ein Positivbeispiel ist «Son of Saul», der dieses Jahr den großen Preis der Jury in Cannes gewonnen hat. Von vielen Kritiker_Innen wurde dieser als wichtigster Shoah-Film der vergangenen Jahre gelobt.

Das Licht am Ende des Tunnels könnte aber auch ein Zug sein. Die größte Oppositionspartei in Ungarn sind die Neonazis von Jobbik. Auch sie profitieren von der Stimmung, die Orbáns rechtsnationalistische Kulturpolitik geschaffen hat.
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Krsto Lazarević lebt in Belgrad. Derzeit beschäftigt er sich mit der Flüchtlingskrise und der wirtschaftlichen und politischen Lage der Balkan-Staaten. Andere Themenschwerpunkte sind Rechtsextremismus, Islamismus sowie Kunst und Kultur aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens.
→ balkanbiro.org