Die junge Bürgerinnenliste Elwis konnte bei den Gemeinderatswahlen in Bad Leonfelden erneut deutlich zulegen und kratzt damit weiter an der schwarzen Allmacht. Wir wollen wissen, was da im Oberen Mühlviertel vor sich geht und haben Elwis zum Gespräch getroffen.
Das Café Pavel ist der perfekte Ort, um Bad Leonfelden kennenzulernen, denn es verrät viel über die Gemeinde – im Guten wie im Schlechten. Vor drei Jahren stand das Gebäude leer und war heiß umstritten. Der Besitzer wollte gemeinsam mit der Caritas eine Unterkunft für Asylwerberinnen schaffen. ÖVP-Bürgermeister Hartl war strikt dagegen, malte den Teufel an die Wand und drohte dem Eigentümer in aller Öffentlichkeit mit persönlichen Konsequenzen. Bis dieser einen Rückzieher machte. Mit der schroffen Ablehnung brachte Hartl sich und die Gemeinde nicht nur bundesweit in die Negativschlagzeilen, er polarisierte auch in der eigenen Bevölkerung. Längst nicht alle Bad Leonfeldnerinnen fühlten sich wohl dabei, den Bürgermeister auch in ihrem Namen toben zu hören. Besonders deutlich distanzierte sich damals die «E.L.W.I.S. Preslee Partei» – und die treffe ich heute, natürlich im Café Pavel.
Elwis will die Jugend durch Rock ’n’ Roll retten
Mir gegenüber sitzen zwei frischgebackene Wahlsiegerinnen. Sebastian Gattringer hat gerade seine erste Periode im Gemeinderat hinter sich, Gudrun Eidenberger kommt neu dazu. Bei der Wahl vom 27. September hat Elwis abgeräumt und sich von 17,9 % auf 23,07 % steigern können. Mit sechs Gemeinde- und zwei Stadträtinnen sind sie die zweitstärkste Partei in Bad Leonfelden. Wobei, Partei ist Elwis eigentlich keine, sondern eine Bürgerinnenliste. Es gibt keine formale Mitgliedschaft, keinen Fraktionszwang und wenn möglich wird so lange diskutiert, bis ein Konsens erreicht ist. Auch muss sich Elwis nicht vor einer oder für eine Landes- oder Bundespartei rechtfertigen. Die «Erste Leonfeldner Wählerinitiative Irreparabler Sorgenkinder» ist frei und unabhängig. Bereits beim ersten Antreten 2009 haben die aufmüpfigen «Burschen» die Sensation geschafft und sind mit der Ansage, die Jugend durch Rock ’n’ Roll zu retten, in den Gemeinderat eingezogen. So überraschend, dass nicht einmal alle fünf Mandate besetzt werden konnten, weil es nur vier Kandidaten gab. Sebastian Gattringer und der Listenerste Daniel Hettrich-Keller waren damals knapp über 20, ihre beiden Kollegen gerade einmal 18 Jahre alt: «Unser wichtigstes Instrument war der Überraschungseffekt», sagt Gattringer. Mit viel Herzblut, aber nur wenig Ressourcen, hat Elwis die Bürgermeisterpartei bis ins Mark erschüttert. «Bei der ÖVP haben sich wohl viele gedacht, jetzt geht die Welt unter.»
In Bad Leonfelden ist Elwis vor allem „anders“
Dabei ist das Programm von Elwis alles andere als revolutionär. Es geht um Kinderbetreuung, Wohnen, Umweltschutz, Jugend und Kultur. Alles Bereiche, die schwarze Gemeinden gerne mal vernachlässigen. Offenbar reicht es aber schon, «anders» zu sein und damit Erfolg zu haben, um den Groll der ÖVP auf sich zu ziehen und vor allem auf der persönlichen Ebene angefeindet zu werden. Aber Elwis hat eine dicke Haut, denn viele «Sorgenkinder» haben sich ihre Sporen in der freien Kulturarbeit verdient – im Kulturverein Titanic, der bis heute wichtigsten Anlaufstelle für all jene, denen der ländliche Mainstream zu langweilig ist und die etwas verändern wollen: «Es ist alles sehr traditionell und wenn du damit nicht umgehen kannst, fühlst du dich nicht so wohl und hast das Gefühl, dich nicht so entfalten zu können», erzählt Gudrun Eidenberger. Freilich: Man sei bei der Feuerwehr und lasse sich natürlich auf den Dorffesten blicken – das gelte auch für Titanic- ktivistinnen. Aber man müsse sich nicht damit zufrieden geben, ergänzt Gattringer. Viel Freude hatte der sonst sehr vereinsfreundliche Bürgermeister mit der Titanic nicht: «Man hat sich als Verein nicht gut aufgehoben gefühlt, die Arbeit ist von der Gemeinde nicht so honoriert worden, wie man sich das als Ehrenamtlicher vorstellt.» In diesem Klima ist schließlich die Idee gereift, die etablierte Politik und die alteingesessenen Machtstrukturen herauszufordern. Trotz der gemeinsamen Wurzeln achtet Elwis aber penibel darauf, Kulturverein und Bürgerliste nicht zu vermischen und längst nicht alle Elwis-Aktivistinnen kommen aus dem Titanic- Umfeld. Den DIY- pirit der Kulturarbeit spürt man aber bei Elwis.
Elwis ist angetreten, um zu verändern
Nach dem Einzug in den Gemeinderat 2009 ist die 4-köpfige Truppe schnell gewachsen. «Wir haben viele Leute im Sozialbereich, wir haben Techniker, Wirtschafts- Studenten, Mediziner und Pensionisten», erklärt Gattringer, «Das ist es, was Elwis ausmacht, es soll schon so ein großer Querschnitt werden.» Beim Alter allerdings hapert es noch mit dem Querschnitt, lediglich zwei Aktive sind jenseits der 30. Gewachsen ist Elwis aber auch durch die Erfahrungen mit einer absoluten ÖVP-Mehrheit im Gemeinderat. Dagegen war auch mit den besten Ideen nichtanzukommen. «Wir sind ziemlich rasch von der Realität eingeholt worden.» Am Einsatz jedenfalls habe es nicht gemangelt, ist sich Gattringer sicher: «Wir haben kaum eine Sitzung versäumt und wenn man über einen Zeitraum von sechs Jahren alle Ausschüsse besetzen kann, ist das eh schon eine beachtliche Leistung.» Aufgrund der schwarzen Mehrheit musste Elwis die Strategie ändern und konzentrierte sich auf die Rolle der Aufdeckerin. Missstände und Benachteiligungen gab es genug.
Gleich in der ersten Gemeinderatssitzung wurde etwa über eine Baugenehmigung für ein Gebäude abgestimmt, das schon längst gebaut war. Große Geldbeträge blieben ungenutzt und mussten deshalb wieder ans Land zurücküberwiesen werden und bestimmte Unternehmer hatten es offensichtlich leichter als andere, wenn es um Genehmigungsverfahren oder ermäßigte Kanalgebühren ging. «Wenn niemand im Ausschuss sitzt und sich das anschaut, dann rennt das nebenbei mit, dann wären diese Geschichten nie herausgekommen. » Elwis kann aber auch anders, denn es gibt Projekte, bei denen eine konstruktive Zusammenarbeit möglich ist. So hat Bad Leonfelden im Zuge der Landesausstellung endlich ein brauchbares Veranstaltungszentrum bekommen, das von Vereinen wie dem KV Titanic genutzt werden kann und sich schnell zu einem wichtigen kulturellen Nahversorger entwickelt hat. «Es geht ja nicht darum, uns auf Biegen und Brechen als Rebellen zu inszenieren, sondern, um etwas für die Menschen zu erreichen», berichtet Gattringer vom vielschichtigen Verhältnis zur ÖVP.
Einer der Letzten seiner Art
Plötzlich geht die Tür auf und eine ganze Busladung Seniorinnen strömt in das Café Pavel. Im Unterschied zu den roten Pensionistinnen sind Seniorinnen schwarz, aber das macht nichts. Man kennt sich, man grüßt sich, man kommt miteinander aus. Wie auch im Gemeinderat, wo trotz aller Differenzen 90 % der Beschlüsse einstimmig gefasst werden. Nur der Bürgermeister tut sich mit Gegenwind und abweichenden Meinungen noch immer schwer. Er ist ein typischer Politiker der alten Schule. Alle Fäden laufen bei ihm zusammen, er ist Ansprechpartner für alles und jede und er kümmert sich um alles und jede. Im Gegenzug duldet er keinen Widerspruch und nimmt Kritik sofort persönlich. Dass viele Menschen dieses Politikverständnis nicht mehr zeitgemäß finden, ist vielleicht der tiefere Grund für den Aufstieg der Bürgerinnenliste. Selbst im Oberen Mühlviertel schwindet die Macht der alten Ortskaiser. Traditionelle Bindungen verlieren an Bedeutung, die Wählerinnen sind kritischer, flexibler und viele haben ganz einfach die Schnauze voll von der etablierten Politik. Wer trotzdem nicht FPÖ wählen will, findet in Elwis eine sympathische und glaubwürdige Alternative, zumal es weder Grüne noch Neos gibt. Zwei Wochen nach meinem Besuch im Café Pavel werden Gudrun Eidenberger und Sebastian Gattringer gemeinsam mit ihren Kolleginnen angelobt und mit viel Idealismus etwas Rock ’n’ Roll in die Gemeindestube bringen.
Refugees welcome in Bad Leonfelden
In einer Causa hat sich schon etwas bewegt. Bad Leonfelden bekommt grade eine große Flüchtlingsunterkunft. Wieder gegen den Willen des Bürgermeisters, aber diesmal mit dem Durchgriffsrecht der Bundesregierung. Es gibt Infoabende, freiwillige Helferinnen und es gibt Elwis. Zumindest ein Teil der Bad Leonfeldnerinnen heißt Flüchtlinge also willkommen.