Tage wie diese …

Zum 104. Mal gehen Feministinnen, Frauen, Autonome und Queer-Feminist_innen, Schwestern und Genossinnen, Lesben und queere Frauen*, Mädchen und Pensionist_innen, Transen und Gendernauts, Arbeiterinnen, Undefinierbare und Solidarische zum Internationalen Frauentag auf die Straße.

Sie gehen auf die Straße um zu demonstrieren und sich gegen die herrschenden Geschlechterverhältnisse zur Wehr zu setzen: gegen die strukturelle Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen[1], sexualisierte Gewalt, die Norm und Privilegierung des Maskulinen und die Herabsetzung alles anderen. Gleichzeitig zelebrieren sie den einzigen feministischen Feiertag des Jahres. Der Rest der Welt allerdings tut sein Bestes, damit es möglichst wenig zu feiern gibt. Im Folgenden ein unvollständiger Streifzug durch den antifeministischen Wahnsinn.

Jährlich zum Frauentag rieselt es Berichte und Studien zu den sich jährlich wenig verbessernden Geschlechterungleichheiten. Die Lohnschere zum Beispiel: Da erreichte Österreich im Anfang März 2015 veröffentlichten «Gender Pay Gap» wieder den zweiten Platz – von hinten gesehen natürlich. Frauen verdienen hierzulande 23 % weniger als Männer, nur in Estland ist die Einkommens-Ungleichheit größer.
Weiterhin muss über das Recht auf Abtreibung gestritten werden. Hat denn das nie ein Ende? In Nordirland bleibt Abtreibung verboten, ebenso wie es in Tirol und Vorarlberg unmöglich ist, abzutreiben. Für die bundesweite Fristenregelung, die Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich bis zur 16. Woche straffrei stellt, kann ich mir nichts kaufen, wenn sie dann keine_r durchführen darf: beide Bundesländer verbieten die Abtreibung in öffentlichen Spitälern. Auch der längst überwunden geglaubte und insbesondere Frauen kriminalisierende Umgang mit Sexarbeit ist wieder en vogue. Überhaupt wird alles zu verbieten versucht, was den Handlungsspielraum von Frauen erweitern könnte. Die tatsächlich verbietenswerten sozioökonomischen Verhältnisse und Arbeitsrechte, die Sexarbeit für in erster Linie Migrantinnen oftmals zum einzig möglichen (legalen) Arbeitsfeld machen, bleiben dabei legal und unhinterfragt.

Der Backlash ist auch andernorts nicht aufzuhalten: Früh zu heiraten (überhaupt zu heiraten!) und als Frau das Leben auf die kleinbürgerliche Familie – Kind(er), Haus, Mann und Gemüsegarten oder Hund – hin auszurichten, scheint als «Neue Wahlfreiheit» weder verpönt noch kommt es konservativ daher.
Frauen sollen jetzt endlich, nach den Jahren der furchtbaren Emanzipation, wieder nichts wollen dürfen! Stricken, das Aufgehen in der Rolle als Mutter und andere reproduktive Sorgen, die sich z.B. hauptsächlich um die Beschaffung bzw. Herkunft der Lebensmittel drehen, gelten gelegentlich gar als alternativ!
Und an den Universitäten, den vermeintlichen Horten feministischer Theoriebildung? Nur eine kurze Verschnaufpause hat es gegeben und nun heißt es: «patriarchy strikes back!». An der Universität Wien steht nicht nur der gerade eben erst erkämpfte Studiengang der Gender Studies an der Kippe: Die Nachbesetzung der Gender Studies-Professur wackelt – euphemistisch gesagt – mächtig, auch wenn sich der Rektor das nicht sagen traut. Und an den Instituten, zum Beispiel der Politikwissenschaft, scheinen die wenigen feministischen Errungenschaften passé – mit Theorie scheint man dort sowieso nichts mehr zu tun haben zu wollen.

Was ist los im fortschrittlichen Europa? Das Jahr 2015 bleibt auch auf diesem Gebiet eine Katastrophe – und gleichmacherisches Post-Gender-Gewäsch und ständige Versuche, Männer zu Opfern ihrer selbst zu machen, sind leider nichts als antifeministische, rechte Ideologie. Denn: Trotz weiterhin vorherrschender Ungleichheit sind selbst so reformistische Gegen-Strategien wie politisch korrekte Sprache, Frauen-Quoten oder Gender Mainstreaming alles andere als common sense. Wogegen sich manch armer, unterdrückter Mann da wehren muss, bleibt allen, die nicht schlafen oder psychologisch geschult sind, ein Rätsel.

Zum Glück aber gibt es sie, die kämpferischen Feminist_ innen, die kritischen Schreiberlinge, die subversiven Irritierer_innen, die autonomen Widerständigen, die hinterfragenden Wissenschaftler_innen, die hedonistischen Verweigerer_innen, die queeren Anti- Normalisierenden, die selbstbestimmten Lesben, die starke Frauenbewegung, die ausdauernden Politaktivist_ innen und die spaßigen Feste, die riesigen Demos und die gegenseitige Kritik und Solidarität. Ja, wenn es all diese Menschen zu Haufe gäbe, was wäre das dann für ein 8. März! Denn: Days like these … need womyn and dykes like this!

 

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[1] Frauen hier ohne Sternchen oder Unterstrich, denn: Die Herrschaft teilt die Welt nur in Frauen und Männer, eben jene Dichotomie, die Feminist_innen zu Recht infrage stellen.

Nikola Staritz ist Politikwissenschaftlerin und Redakteurin der Zeitschrift MALMOE, arbeitet bei FairPlay, der österreichischen Initiative gegen Diskriminierung im Sport.

Dieser Artikel ist erstmals im März 2014 in MALMOE erschienen und wurde für das erneute Erscheinen aktualisiert.
malmoe.org

 

Offene Tafelrunde im Rahmen von feminismus und krawall, 8. 3. 15, Hauptplatz Linz. Foto: Petra Moser
feminismus-krawall.at