Damit aus Leerstand kein Stillstand wird

Schon seit mehreren Jahren setzt sich die IG Kultur Wien mit leer stehenden Räumen und der Frage, wie eine Stadt Raum für alle sein kann, auseinander. Die vorläufigen Ergebnisse gibt’s nun in Buchform – kein Abschluss, sondern vielmehr Grundlage und Inspiration für die künftige Arbeit. Und die könnte spannend werden, denn abseits von spektakulären Räumungen und dem schäbigen Verhalten diverser Immobilienfirmen, hat auch die Politik das Thema der Verfügbarkeit und Nutzbarkeit vom Räumen unter dem Schlagwort «leistbares Wohnen» wiederentdeckt. In Wien geht die Renaissance sogar soweit, dass nach langer Zeit wieder der Bau neuer Gemeindewohnungen angekündigt wurde. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Ursachen und übergeordneten Fragen, zeichnet sich aber trotzdem nicht ab. Die haben andere geführt, allen voran die IG Kultur Wien in Form der dreiteiligen Studie «Perspektive Leerstand». Das vorliegende Buch «Wer geht leer aus?» bildet als vierter Teil den Abschluss dieser Untersuchung und will die Debatte damit sowohl breit öffnen als auch vertiefen. Denn Leerstand ist kein isoliertes Teilproblem, sondern berührt Fragen, die alle angehen. Er ist das sichtbarste Zeichen einer verfehlten Raumpolitik, die gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse reproduziert und viel über die Qualität des Zusammenlebens aussagt. Gerade beim Wohnen lässt sich der Paradigmenwechsel der letzten Jahrzehnte gut nachvollziehen: Von der aktiven Gestaltung durch die öffentliche Hand – z.B. eben in Form der Gemeindebauten des roten Wien – hin zur unsichtbaren Hand des freien Marktes. Mit all den negativen Auswirkungen, über die zwar regelmäßig, aber selten in einem größeren Zusammenhang diskutiert wird. Für die Autorinnen ist Leerstand aber auch eine Chance, neue Denk- und Handlungsräume zu öffnen und Räume zumindest partiell aus der kapitalistischen Verwertungslogik herauszulösen. Wie das gehen kann, zeigen sie anhand zahlreicher Interviews mit Aktivistinnen, unter anderem mit dem 2011 verstorbenen Pionier Dieter Schrage. Der starke Praxisbezug spiegelt sich in einer Sammlung von Werkzeugen für die proaktive Raumnutzung, einem stadtpolitischen Begriffslexikon und den konkreten politischen Forderungen der IG wider. Gut für uns, denn Leerstand gibt es auch in Oberösterreich und das Buch der IG Kultur Wien kann als Ansporn für eine intensivere Auseinandersetzung damit dienen. Mit dem Ergebnis, der Politik auch hier etwas auf die Sprünge zu helfen. Absolute Empfehlung!

Wer geht leer aus? Plädoyer für eine andere Leerstandspolitik. Willi Hejda, Anna Hirschmann, Raphael Kiczka, MaraVerlic, IG Kultur Wien (Hrsg.) edition mono / monochrom ISBN: 978 3 902796 19 6
wergehtleeraus.igkulturwien.net

Christian Diabl ist verhinderter Hausbesetzer und stattdessen im Vorstand der KUPF.

Die Bürger_inneninitiative „Leerstand öffnen!“ an den Nationalrat kann bis 30. November unterschrieben werden:
leerstand.igkulturwien.net