Über die Lust am Transversalen – oder: Wir sind Wolke

Im Juli ist eine neue Zeitschrift namens «diekamion» erschienen. In der Nullnummer mit dem Titel «Der Aufstand der Verlegten» ist unter anderem zur Agonie der Publikationsindustrie zu lesen – und über das eigene Begehren, Zeitung zu machen.

Im allgemeineren Sinn eines Redaktionscredos bedeutet diekamion: theoretisch-diskursive Beiträge, die sich mit «politischen Theorien und nützlichen Nachrichten aus dem Alltag von Prekrarisierung» beschäftigen – oder mit der «Vernähung zwischen sozialen Bewegungen, Kunstpraxen und kritischer Intellektualität». Hinter dem kamion-Heft steht die bekannte Größe der ehemaligen Kulturrisse-Redaktion. Diese hat sich Anfang des Jahres, nach dem auch für sie recht plötzlichen und überraschenden Ende der von der IG Kultur herausgegebenen «Kulturrisse – Zeitschrift für radikaldemokratische Kulturpolitik» auch recht schnell umorientiert und nun neue Fahrt aufgenommen.

kamion, das bedeutet übersetzt Lastwagen – und steht damit wohl für neue Wege und Beladungen, für Text-Interventionen mit politischer Haltung. Need des ganzen Printprodukt-Machens scheint zu sein, Alternativen aufzuzeigen, innerhalb eines virulent festgestellten Zusammenhangs zwischen den ökonomischen Mechanismen der Vereinheitlichung und der Prekarisierung, etwas drastischer gesagt: zwischen Glättung und Verelendung. Das ganze Heft scheint von der Argumentation einer Notwendigkeit von sich neu zu assoziierenden Singularitäten durchzogen, oder auch einer «Mondialisierung », also eines Weltweit-werdens vs. der vereinheitlichenden Globalisierung. 16 Beiträge zirkulieren um diesen Themenzusammenhang quasi in «multituder» Bewegung. Und um in diesem Bild zu bleiben: Im Beitrag von eipcp «Die Mitte der transversalen Texte » geht es um das «Programm eines Werdens, das nie zum Verlag werden will».

Es bezieht sich etwa auf die beschleunigte Mitte einer transversalen Text-Bewegung – gleich «der beschleunigten Mitte einer Pendelbewegung». Alles in allem, und das trotz der multituden, transversalen Bewegung dazwischen, scheint es am Ende des Pendels aber auch um neu notwendig gewordene Haltungsübungen zwischen Politik, Praxis und Kunst zu gehen. Texte zu Themen dieser Art, die das große Inbetween behandeln, mal in Detailsicht, mal im großen Überblick, mal im theoretischen Unter-Überbau, mal in der Praxis, sei es nun im Sinne der Übersetzung, der Störung, oder im Sinne der Vielschichtigkeit der aktuellen ökonomischen Umarmung gedacht … also das Lesen solcher Texte ist immer Labsal und Mühsal gleichzeitig. Und das ist durchaus so gemeint: Es ist Labsal und Mühsal im besten transversalen Sinn einer beschleunigten Mitte dazwischen. Und nebenbei bemerkt dringend notwendig. Ein nettes Detail: Das Heft durchziehen kleine Icons, vom Lastwagen, Traktor, Seilbahn bis hin zum Schiff und zur Wolke. Die verschiedenen Transportmittel und Fortbewegungsmöglichkeiten stehen dabei vermutlich für verschiedene Arten des Transfers – oder für differenzierte bis diffuse Wege durchs Translokale.

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kamion Nullnummer 2014: Der Aufstand der Verlegten. 96 Seiten Das Heft erscheint halbjährlich → diekamion.org

Zu die kamion ist in der aktuellen Versorgerin # 103 ein Interview mit der Redaktion erschienen: versorgerin.stwst.at