Wer bin ich, wenn ich online bin ?*

Die neue Kolumne in der KUPFzeitung: Frau Tschörda Weiß Rat – Die Herausforderung einer digitalen Gesellschaft.

Wer bin ich, wenn ich online bin ?*

Jeder einzelne Klick, jedes Like trägt dazu bei, dass das virtuelle Bild von tschörda, gschaftlhuawarin und nörda ein Stück schärfer wird, dass sich Puzzlestücke zusammenfügen und sich Informationen über den eigentlichen Menschen hinter all diesen Profilen verdichten.

Was bedeutet das? Spätestens jetzt, wo die NSA sogar weiß, was in Angela Merkels bulletproof Telefon so geht, muss klar sein, dass die Spuren, die wir hinterlassen, aufgezeichnet, gesammelt, analysiert und im Zweifelsfall GEGEN uns verwendet werden. Fortschreitende Digitalisierung macht das Datensammeln einfacher, scheinbar machen uns clevere Marketingstrategien diverser Social Media Plattformen auch wesentlich sorgloser im Umgang mit dem Medium. Wissen wir nicht, wie wir uns schützen können oder ist es uns egal?

Das Internet ist Neuland, sagt Angela Merkel. In gewisser Weise gebe ich ihr recht. Das Medium «Internet» stellt eine vergleichsweise neue Kulturpraktik dar, im Umgang mit ihr sind wir unerfahren. Wir gehen extrem menschlich, spielerisch und neugierig auf das Medium zu, ein Umstand, den sich Kontrollorgane und Regierungen längst zu Nutzen machen. Die militärische Forschung ist der zivilen um 5 Jahre voraus, sagt man. Think about it. Die vielzitierte breite Masse ist sich der umfangreichen Möglichkeiten zur Auswertung personenbezogener Daten wohl nicht bewusst. Welche unmittelbaren Auswirkungen hat es für den Menschen, sich die dunklen Seite des Netzes und die allgegenwärtige Digitalisierung nicht vor Augen zu führen? Jaja, wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten – man hört es als Argument FÜR die möglichst lückenlose Datensammlung über Individuen immer wieder. Gegen dieses Argument wehre ich mich vehement. Ich bin eine ehrliche Haut, ich hab mein Herz auf der Zunge – vielleicht ein feiner Charakterzug für einen Menschen aus Fleisch und Blut. Im digitalen Leben kann das ein verherendes Minus sein und ein sperrangelweit offenes Tor darstellen, das mich angreifbar macht. Aber für wen und wofür? Es scheint, als ob es längst wieder normal ist, kritische Menschen mundtot machen zu wollen.

Ich bin mir meiner Onlineaktivitäten bewusst, ich verhalte mich dennoch sehr offensiv und bin netz- und sozialpolitisch aktiv. Ich bilde mir ein, die Werkzeuge, die mir das Netz zur Verfügung stellt, kann ich geschickt nutzen und deshalb will ich kein Schaf in der Herde sein, sondern halte mich für ein kritisches und aktives Mitglied unserer Gesellschaft.

Trotz täglich neuer Hiobsbotschaften über gläserne Menschen bin ich dennoch optimistisch. Für mich ist klar: ich bin mehr als die Summe der einzelnen Teile. Passiv sein ist für mich keine Option.

Wir dürfen uns nicht mundtot machen lassen.

*«Wer bin ich, wenn ich online bin?» ist der Titel des 2010 in der deutschen Übersetzung erschienenen Buches, in dem Nicholas Carr den Einfluss des Internets auf unser Verhalten analysiert und ein eher düsteres Bild der gesellschaftlichen Veränderungen skizziert, die mit fortschreitender Digitalisierung einhergehen. Das trifft zwar nicht ganz den Punkt des nörda-Gastkommentars, ist aber im Hinblick auf den umfassenden Eingriff des Netzes in unser Leben aufschlussreiche Lektüre.

 

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Gerda Haunschmid ist in unterschiedlicher Form seit 1998 im Netz unterwegs, auch als tschörda und gschaftlhuawarin. Sie will nur spielen.