Die Europäische Union fördert die Entwicklung von regionalen Räumen durch verschiedene Förderinstrumente, die derzeit neu verhandelt werden. Ein wesentliches Kriterium für eine Förderzusage ist die Möglichkeit zur Teilhabe und Mitbestimmung der lokalen Bevölkerung. Die politische Kultur in Österreich scheint bis dato mit dieser Vorgabe aber wenig anfangen zu wissen, Top-Down-Politik und Klientelwirtschaft stehen durchaus auf der Tagesordnung.
Welche Instrumente hat die EU zur Förderung ländlicher Regionen eingerichtet?
Auf EU-Ebene gibt es drei sehr große Programme: Den Europäischen Sozialfonds, den EFRE – den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung – und den ELER – den Landwirtschaftsfonds. Diese drei großen Fonds werden alle sieben Jahre neu dotiert und mit neuen Strategien und Zielen versehen, die auf EU-Ebene in einem längeren Prozess ermittelt werden. Dann wird versucht, diese Programme mit den nationalen Zielen in Einklang zu bringen, bevor es zum Beispiel auf oberösterreichische Ebene geht und in weiterer Folge an die verschiedenen Stellen wie Regionalmanagement und auch die LEADER-Regionen weiter gegeben wird.
Im ELER ist das LEADER-Programm ein eigener kleiner Part, wo es sehr stark um das Thema Bürgereinbindung und Bürgerbeteiligung geht und um tatsächliche regionale Entwicklung. Also nicht um regionales Management, ich unterscheide da mittlerweile recht klar. Das regionale Management habe ich, auch in meiner Tätigkeit damals, so erlebt, dass es wenig Raum für tatsächliche Regionalentwicklung gibt, in dem Sinne, dass man Bürger tatsächlich einbindet und in einem partizipativen Prozess etwas entwickelt. Da geht’s eher darum, Leute zu finden, die mittun, die vorgegebenen Ziele zu erfüllen.
Ein weiterer Effekt war, dass Ideen eigentlich gar nicht willkommen waren – das habe ich auch selber ein paar Mal erlebt –, weil eigentlich eh schon alle strategischen Linien vorgegeben waren.
Kann man also sagen auf dem Weg durch die Instanzen nach unten ist die Intention der Europäischen Union zunehmend verloren gegangen und nicht mehr auffindbar?
Am augenscheinlichsten ist das, wenn man das LEADER-Programm betrachtet. In den regionalen Strukturen spiegelt sich wider, dass die Grundintention nicht mehr wahrgenommen wird. Um einen regionalen Entwicklungsprozess einzuleiten ist es wichtig, Raum für Ideen und auch für Strategien, die aus der Region heraus wachsen, zu geben und diese aufzunehmen und nach oben hin zu unterstützen. Es ist nicht zielführend, dass eine regionale Strategie dann einer größeren Strategie völlig zuwider läuft. Jedoch kann es für eine Region nicht gut sein, dass fast kaum ein Rückfluss nach oben passiert, sondern von Haus aus eher nur Top-Down-Strategien verfolgt werden. Man merkt das auch: So viel Unzufriedenheit in der Region wie in den letzten Jahren mit der regionalen Entwicklung habe ich selten mitbekommen – auch aus der politischen Ebene.
Also da gibt’s noch sehr viele autoritäre Elemente in der Politik und sehr wenig Öffnung. Glauben Sie, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird, dass die Politik hier erkennt, sie muss sich öffnen, sie muss Leute an Entwicklungsprozessen teilhaben lassen, weil sie sonst ganze Teilöffentlichkeiten verliert?
Im Moment nehme ich recht unterschiedliche Strömungen wahr. Das hängt oft an den Kulturen in verschiedenen Gemeinden. Ich orte schon, dass einige BürgermeisterInnen tatsächlich das Thema Partizipation mittlerweile als etwas Positives wahrnehmen (lacht). So traurig das klingt, dass das überhaupt jemand anders wahrnehmen könnte, nachdem es ja da auch um Demokratie geht, und um gelebte Demokratie. In Gemeinden, wo es beginnt, wieder zu funktionieren, und wo dem auch bewusst Raum gegeben wird, kommen erste Prozesse zum Vorschein, aus denen alle gestärkt hervor gehen. Wenn diese Wahrnehmung um sich greift, dann sehe ich sehr wohl Potenzial für Herausforderungen, die man anders gar nicht lösen kann. Um bei den globalen Krisen, die es jetzt gibt, so etwas wie Resilienz für lokalen Raum herzustellen, braucht es viel mehr Einbindung. Dazu kommt, dass sich viele Bevölkerungsteile nirgends mehr angedockt fühlen: Sie leben zwar noch in einem Ort, haben aber das Gefühl, dass es keinen Anknüpfungspunkt gibt – weder kulturell noch wirtschaftlich. Und wenn sie keine Kinder haben, die in die Schule gehen, dann ist es tatsächlich nur der physische Wohnort.
Darüber hinaus passiert eigentlich keine Teilhabe, keine Mitbestimmung, die Leute wollen mit dem System an sich nicht mehr konfrontiert werden, vor allen Dingen jugendliche Gruppen sind davon sehr stark betroffen. Ihr habt vor einigen Jahren die OTELOs initiiert – eine Möglichkeit für Gemeinden, das stückweit aufzufangen. Inwiefern unterscheidet sich OTELO – und auch das ist Regionalentwicklung – von diesen herkömmlichen politischen Programmen?
Ich glaube der wichtigste Unterschied ist, dass es in diesen OTELOs Räume gibt, die noch nicht primär von einem bestimmten Ziel vorgegeben sind.
Wir machen OTELOs nur dort, wo der Gemeinderat als gesamtes beschließt, sich als Gemeinde einen offenen Innovationsraum zu gönnen. Einen Raum, wo Dinge passieren dürfen, aber nicht müssen. Es ist, glaube ich, eine der wesentlichsten Voraussetzungen, dass man vor allem jungen Menschen Mut macht, zu experimentieren, sich auszudrücken, und einfach einmal etwas auszuprobieren. OTELOs sind in der Grundstruktur sehr stark auf Experiment ausgelegt. Das heißt, du kannst einmal mit etwas experimentieren, ohne einen Erwartungsdruck erfüllen zu müssen. Das heißt, wir stellen Raum zur Verfügungen und versuchen Ideen, die kommen weiter zu denken bzw. Möglichkeiten zu finden, aus einer Idee tatsächlich etwas zu machen.
Was erhoffen Sie sich für die nächste LEADER-Periode?
Die nächste LEADER-Periode hat noch einmal stärker den Partizipationsgedanken formuliert. Ich hoffe, dass es nicht mehr so leicht möglich ist, das zu karikieren, weil man es herunter bricht von Bundes- und Landes- auf tatsächlich regionale Ebene. Das klingt wieder sehr nach Top-Down. Auf der anderen Seite hoffen wir, dass durch Impulse, die wir im OTELO versuchen, sehr klein zu erzeugen, von der Basis her eine Art Grundkultur und Lust zur Mitgestaltung entsteht und dass sich das dann positiv treffen kann.
Martin Hollinetz ist Initiator von OTELO und ehemaliger Mitarbeiter beim oberösterreichischen Regionalmanagement. Mario Friedwagner ist Kulturarbeiter und leitet die Geschäfte des Freien Radio Salzkammergut.
OTELOs stehen für Offenes Technologielabore – drei von ihnen sind Mitglied der KUPF. Infos: otelo.or.at