Düstere Lichtblicke

„Wie viele KI’s es gibt? KI’s, äh…“
„Kulturinitiativen.“
„Aha, und sie hätten gerne ein Schätzung von mir? Na dann würde ich sagen, so circa 30 bis 40.“
Falsch – es sind um die 80 KI’s, die sich derzeit in Kärnten/Koroška im freien, zeitgenössischen Kulturfeld bewegen. Wobei dieser Zahl eine grobe Recherche zugrunde liegt, wahrscheinlich dürften es über 100 sein. Um dies mit Gewissheit sagen zu können, bedürfte es freilich einer umfassenden Erhebung der freien Kulturszene in Kärnten/Koroška. und um diese durchführen zu können, bräuchte es wiederum zweierlei: Personal und Budget. Also grundsätzliche Ressourcen, ohne die Interessen freier Kulturarbeit nicht ernsthaft verhandelt und vertreten werden können.

Ansonsten lag Wolfgang Waldner (ÖVP), der Kulturreferent des Landes, nicht so schlecht. Der Bruder der ORF-Journalistin Gabi Waldner ist nicht nur eine relativ frische, sondern auch erfrischende Erscheinung in der Kärntner Kulturpolitik. Manche (Parteifreunde) behaupten (beinahe entschuldigend), Waldner sei gar kein Politiker, der gelernte Diplomat und Kulturmanager agiere zögerlich, überlege lange. Was nicht unbedingt von Nachteil sein muss: Im Gespräch wirkt Wolfgang Waldner offen, interessiert, bedacht. Auch wenn er gerne unverbindlich bleibt, im Vergleich mit seinem Amtsvorgänger Harald „Volkskultur-Valentinskonzerte-Doberstick“ Dobernig, ist Waldner eine Lichterscheinung.
Vor seinem Wechsel in die Kärntner Landespolitik war Wolfgang Waldner Kulturattaché in Washington, Sekretär von Alois Mock, Wahlkampfleiter für Thomas Klestil, Leiter des Austrian Cultural Forum in New York City, Geschäftsführer des Wiener MuseumsQuartiers und zuletzt Staatssekretär im Außenministerium.
Wie seine Regierungskolleginnen tritt der Kulturreferent kein leichtes Erbe an: Der Kassasturz im Sommer 2013 hat einen Schuldenstand von 4,8 Milliarden Euro für das Kärntner Landesbudget ergeben (das entspricht in etwa den im Budget 2013 ausgewiesenen Ausgaben des Landes OÖ), was eine vierprozentige Kürzung in Waldners Ressorts (zu Kunst und Kultur gesellen sich die Agenden Wirtschaft, Land- und Forstwirtschaft sowie Tourismus) zur Folge hat. Wobei Waldner betont, dass mittels interner Umschichtungen der Kunst- und Kulturbereich von den Kürzungen nach Möglichkeit nicht betroffen werden soll.

Duftmarken

Zieht man seine Karrierestationen in Betracht, überraschen die – mit Vorliebe kulturpolitischen – Duftmarken, die Waldner in seiner bisherigen Amtszeit gesetzt hat, keineswegs: Das von Jörg Haider geschaufelte Millionengrab  Wörtherseebühne sähe er liebe heute als morgen beerdigt (oder trefflicher versenkt). Finanzielle Zuwendungen für die Eventbühne in der Klagenfurter Ostbucht werden von Seiten des Landes der Vergangenheit angehören.
Mit der Transformale, einem jährlichen Festival, das sich zwischen Zeitkultur und Kulinarik positionieren möchte, sollen Synergien zwischen Kunst, Kultur und Tourismus ermöglicht werden. Auch wenn die heurige Programmierung des Festivals klare Konturen vermissen lässt (was nicht zuletzt dem zugrunde liegenden schwammigen Konzept geschuldet sein dürfte), signalisiert die Transformale Aufbruch.
Ganz klar hingegen hat sich Wolfgang Waldner zu einem, von Seiten der Landespolitik bislang frech-dreist ignorierten Teil der Kärntner Zeitgeschichte positioniert: Eine wichtige Verkehrsroute von Kärnten/Koroška nach Slowenien führt durch den Loibltunnel, der in den Jahren 1943/44 von Häftlingen des KZ Mauthausen unter unmenschlichen Bedingungen errichtet werden musste. War auf jugoslawisch/slowenischer Seite bereits in den 1950’er Jahren eine Gedenkstätte errichtet worden, wurde in Kärnten erst in den 1990’er Jahren zaghaft mit der Aufarbeitung begonnen. Nach der FPK-Ära ist Wolfgang Waldner der erste zuständige Landespolitiker, der die Gedenkstätte fördert und sich unmissverständlich zu ihr bekennt.
Bedeckt hält sich Waldner, was die Förderung der sogenannten „Traditionsverbände“ in Kärnten/Koroška betrifft. 2002 wurde ein Landesgesetz erlassen, das Vereinen wie dem Kärntner Heimatdienst, dem Abwehrkämpferbund oder der berüchtigten Ulrichsberggemeinschaft eine jährliche Basisfinanzierung zusichert. Zurück geht der Beschluss auf einen Antrag der ÖVP, dem sich die FPÖ und schließlich auch die SPÖ anschlossen. Obwohl sich gerade die Ulrichsberggemeinschaft nachgewiesener Maßen in einem rechtsextremen Umfeld bewegt, verweist der Kulturreferent, angesprochen auf eine Fördereinstellung für die Ulrichsberggemeinschaft, vorwiegend auf mögliche formale Gründe – auch wenn er betont, dass ihm dieser revisionistische Verein alles andere als nahe steht.
Dabei wäre es für die derzeitige Landesregierung ein Leichtes das betreffende Gesetz wieder zu kippen. Jedenfalls, was die Mandatsanzahl im Landtag betrifft.

Wiedergutmachung

Trotz aller positiven Anzeichen sind in Kärnten/Koroška keine rosigen Zeiten angebrochen: Die allgemeine Spardepression scheint auch auf die in den vergangenen Jahren arg gebeutelte freie Kulturszene übergegriffen zu haben. Auch wenn Wolfgang Waldner betont, dass das Budget für Zeitkultur jedenfalls erhöht werden soll, wartet manch verdiente und etablierte Initiative auf Behandlung ihrer  Subventionsansuchen, oder muss sich mit Förderungen begnügen, die eine seriöse Arbeit kaum zulassen.
Um seine Existenz bangt der Slowenische Kulturverband/Slovenska prosvetna zveza: Aufgrund von unvollständigen Abrechnungen wurden 32.000,- Euro EU-Förderungen gestrichen, die teilweise bereits ausgegeben wurden. Man war laut Janko Malle, dem Geschäftsführer des Kulturverbandes, von der Landesregierung bezüglich einer korrekten Stundenabrechnung falsch beraten worden.
Manch junge KI weist allein den Gedanken an eine Förderung von Seiten des Landes brüsk von sich: So wird die aufwendig gestaltete Literaturzeitschrift die Anstalten, die von FüVe (Verein für die Vergegenwärtigung von Literatur) herausgegeben wird, nur vom Kärntner Literaturarchiv Musilinstitut finanziell unterstützt. Unter einer Haider-Dobernigschen „Kulturpolitik“ groß geworden, will man an der Landespolitik nicht einmal anstreifen. Zu tief sitzt offenbar das Misstrauen.

Es bliebe also viel zu tun, um zumindest einen „Normalzustand“ im kulturpolitischen Entwicklungsland Kärnten/Koroška zu erreichen. Der Kupfschen Schwesternorganisation in Kärnten/Koroška, der IG KIKK, sind (noch) die Hände gebunden: Seit dem Jahr 2000 konnte die IG KIKK nur mehr ehrenamtlich tätig werden, sämtliche Landesförderungen wurden unter Haider und Adlaten gestrichen. Die IG KIKK  erhält somit (neben der IG Kultur Burgenland) im Unterschied zu den übrigen Österreichischen Interessensvertretungen keine Landesförderung. An einer derzeit in Vorbereitung befindlichen Bedarfserhebung der freien Kulturszene in Österreich kann Kärnten/Koroška als einziges Bundesland nicht teilnehmen. Das scheint Wolfgang Waldner nicht zu schmecken, und er gelobt Wiedergutmachung.
Einer der spärlichen Lichtstreifen in dem gerüttelten Kulturland Kärnten/Koroška.