Gedanken zu innovativem Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit auf Grassroot-Level.
Als vor vier Jahren die wenig abwegige und eigentlich nicht unübliche Idee für eine Benefizveranstaltung für Projekte in Afrika «vom Himmel fiel», ahnte noch keiner der Beteiligten, dass sich diese zu einem dynamischen und kreativen Projekt mit unterschiedlichsten Ansprüchen entwickeln würde. Das BongoFlavour Kollektiv wurde aus entwicklungspolitischer Motivation heraus zu einem langsam wachsenden Sinnbild für Kooperation – nicht zuletzt für die Lebenswelten der Involvierten.
Was sind die Motive für freiwillige und ehrenamtliche Arbeit? Selbstverwirklichung, Ausgleich, Mitgestaltung, Ansehen, Leidenschaft, Networking, prägende Erlebnisse, Kreativität, Sinnsuche, Schuldgefühle, Zusammenhalt, Weiterbildung, Altruismus?
Je nach Reflexionsgrad und Art des Engagements variieren Rolle und Bedeutung einer freiwilligen Tätigkeit für eine_n persönlich. Und dass diese bei den einen mehr, bei den anderen weniger eigennützig sind und sich dies auch – je nach Lebenssituation – ständig ändert, ist nicht problematisch, solange man sich dessen bewusst ist. Ganz im Gegenteil, es ist notwendige Bedingung für soziale und kulturelle Reziprozität – der Nachhaltigkeit des Engagements wegen. Die Besonderheit bei ehrenamtlicher Tätigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit ist meist, dass sich die oben genannten Schlagworte um jene reduzieren, die einem_r am meisten zurückgeben.
Der einfache Grund dafür ist, dass die Projekte, für die man sich engagiert, tausende Kilometer entfernt sind. Da bleiben dann oft nur Motive wie Leidenschaft, Sinnsuche, prägende Erlebnisse, Schuldgefühle und – last but not least – «Altruismus» übrig.
Sicher sind das auch vertretbare Motivationen, um eine Spendenaktion zu organisieren – und dann beim jährlichen Urlaub in Afrika zu sehen, was «weitergangen» ist. Wenn man dann aber mal hinreist, um die Ergebnisse dieses «Ehrenamts auf Kredit» zu erleben, greift dies manchmal zu kurz. Das wirkt ungesund und ist wohl auch oft der Grund für den hierarchischen Umgang zwischen Projektpersonen aus «Geber»- und «Empfängerländern». Andererseits ist es auch ein Bestandteil dessen, warum Grass-Root Organisationen (klein, persönlich, ehrenamtlich) im rezenten Entwicklungsdiskurs hochgelobt sind. Schließlich ist es bei Entwicklungsprojekten Ziel, sich nach einer Weile überflüssig zu machen. Manche nennen dies auch «Hilfe zur Selbsthilfe». Auch wenn das eine praktische Folge von einseitigen Motivationen für’s Engagement ist, ist es gescheit, die Projekte mit Wirkung daheim zu gestalten.
Eine schöne Folge dessen ist die Praxis der Vereine, das Fundraising mit Kulturarbeit zu verbinden und damit gleichzeitig zu versuchen, Bewusstsein für globale Ungerechtigkeiten zu schaffen. Damit kommen auch die anderen Motivationen für die Beteiligten wieder ins Spiel: Kreativität, Mitgestaltung, Ausgleich, Selbstverwirklichung… Das bewirkt eine ausgeglichenere Rolle der Ehrenamtlichkeit für die Individuen freiwilliger und unbezahlter Entwicklungszusammenarbeit. Zusätzlich wird es möglich, dass von der Vereinsarbeit auch die Kulturlandschaft der Heimat profitiert.
Vor diesem Hintergrund entstand ein Kollektiv namens BongoFlavour im Bezirk Vöcklabruck. Es handelt sich um eine Kooperation dreier Vereine aus Frankenburg, Vöcklamarkt und Redleiten, die seit einigen Jahren unterschiedliche Entwicklungsprojekte initiieren und betreuen. Die Vereine Azubi Kibwigwa, Papo und Kwetu-ni-Kwenu machen dies mit Partner_innen in Tansania, Ostafrika – dort jedoch jeweils in unterschiedlichen Städten, bzw. Dörfern und auf unterschiedliche Art und Weise. Auf österreichischer Seite beschränkt sich die jeweilige Vereinstätigkeit größtenteils auf Fundraising. Die Mittel finden in Projekten, die hauptsächlich von den lokalen Partner_innen geplant und betreut werden, ihre Verwendung. Die Früchte dieses Ehrenamtes tragen sozusagen die Bäume eines anderen Kontinents. Dies ist der Sinn und Zweck dieser Vereine. Die ursprüngliche Idee entspringt grob gesagt – und um auf die obigen Schlagwörter zurückzugreifen – in prägenden Erlebnissen vergleichsweise schwieriger Lebensumstände in Tansania oder etwa der Sinnsuche in einer Welt steigender Ungleichheiten.
Auf diese aufmerksam zu machen und den Bekanntheitsgrad und somit die Spendeneinnahmen der Vereine zu steigern, waren die ursprünglichen Anstöße, die Vereinsarbeit auch in Österreich auszubauen. Dies läuft zwangsweise darauf hinaus, neben Spendensammeln auch andere Ansprüche zu entwickeln. Die Vereinsarbeit zur Verbesserung der Lebenssituationen in Tansania sollte erweitert werden. Und zwar dadurch, den interessierten Unterstützer_innen bewusst zu machen, dass Gründe für Ungleichheit auch in Europa zu suchen sind – ob nun sozialer, wirtschaftlicher oder ökologischer Natur. Unter dem Motto «Musik-Solidarität-Nachhaltigkeit» schlossen sich also diese drei Vereine zusammen und gründeten das BongoFlavour Kollektiv. Die Macht des oder der Einzelnen in einer verstärkt globalisierten Welt ins Licht zu rücken, ist BongoFlavour somit in dreifacher Dimension: Es ist möglich, als bewusster und verantwortungsvoller Teil einer Massenkonsumkultur einen positiven Beitrag zu einer nachhaltigeren kollektiven Lebensweise zu leisten. Es ist möglich, sich mit den Verlierern eines dominanten Wirtschaftssystems durch aktives Handeln solidarisch zu erklären. Sie sind nämlich – wenn auch geografisch weit entfernt – näher als man denkt. Und: Es ist möglich – durch Reflexion und Einbettung in ein positives kulturelles Setting – diesen nachhaltigen und solidarischen Beitrag viel mehr als Bereicherung anstatt als Last zu empfinden.
In anderen Worten: Die einst etwas einseitige Vereinsarbeit entwickelt sich zu einer gesünderen, weil die Involvierten das Umdenken zu bewussteren, alternativen Lebens- und Veranstaltungsformen sowie das kleine Beitragen zu einer global gedachten Solidarität in lokale Kulturarbeit einzugießen versuchen. Das führt dazu, dass die Motivationen für das ehrenamtliche Engagement um Kreativität, Selbstverwirklichung, Weiterbildung, Mitgestaltung und Zusammenhalt erweitert werden. So macht die Arbeit nicht nur mehr Spaß, sondern verbessert sich auch qualitativ. Die Kooperation dieser drei Vereine hat für einige Menschen eine Möglichkeit geschaffen, sich mit Themen intensiv auseinanderzusetzen, Energien zu entdecken und mit neuen Menschen zusammenzuarbeiten.
Diese Funktion des Kollektivs, Ausgleich zur individuellen Vereinsarbeit für Tansania zu schaffen, ist ein Nebenprodukt, die Ansprüche (Musik-Solidarität-Nachhaltigkeit) in Veranstaltungen und Aktivitäten zu verpacken. Den Höhepunkt dabei bildet das BongoFlavour Benefizfestival. Die vierte Ausgabe dieser Veranstaltung wird am 30. August 2013 in Redleiten einen weiteren Versuch wagen, eine breite Palette an Gedanken und Ideen zu Regionalkultur, globaler Gerechtigkeit und alltäglichen Handlungsspielräumen eines jeden Menschen zu vereinen. Es ist zu erwarten, dass sich das wieder so gut anspüren wird wie beim letzten BongoFlavour!