Ob man Thomas Bernhards «Holzfällen» heute noch mit Gewinn oder gar Genuss lesen kann? Immerhin machte einen Teil der Attraktion dieses Schlüsselromans das hemmungslose Waschen von Schmutzwäsche aus. Curt Cuisine, der unter diesem Pseudonym das verdienstvolle Wiener Satiremagazin «Hydra» herausgibt, hat es gereizt, das Geschimpfe Bernhards durch das Gemetzel der Zombieliteratur zu ergänzen: «Ebenso wie das Schimpfen hat das Abschlachten etwas sehr Kathartisches».
Und so mosert und hackt sich der Erzähler nun durch Wien. «Im Gegenteil, ich bin der schwächste Mensch und der schwächste Charakter und mehr oder weniger allen Vampiren, allen Zombies und allen Werwölfen hilflos ausgeliefert.» Er entpuppt sich als abgehauster Werwolf, der sich 23 Jahre in seiner Gruft versteckt hat und nach dem Selbstmord seiner Jugendfreundin wieder ins Freie wagt, wo er den grässlichen Auersbergers in die Fänge gerät. Der Werwolf hat Klassendünkel, nur die niederen Stände mutierten zu Zombies, die Elite verwandle sich zu Werwölfen oder gar Vampiren. Was wohl Marx dazu sagen würde?
Die Überschreibung umfasst auch eine aktuelle politische Ebene, in der die Gebrüder Scheuch und Konsorten metaphorisch geschlachtet werden.
Sehr nachvollziehbar und löblich, aber literarisch bedingt ergiebig, da Cuisine gerade bei diesen Passagen aus der engen Nachahmung des Originals kippt, sie stehen ein wenig im Wege. Andererseits war es auch nicht Anspruch, neue literarische Großtaten zu vollbringen, da braucht man nicht streng tadeln.
Den kleineren Teil des Buches nehmen Versuche über Schnitzlers «Leutnant Grusel» (natürlich im legendären stream of consciousness), Kafkas «Die Verwesung», Handkes «Die Angst des Zombies vor der Schrotflinte» und Joseph Roths «Radetzkymatsch» ein. Letzterer ist von allen Texten der gelungenste, die Untergangsmelancholie Trottas passt schön zur Zombieinvasion.
Das alles ist an sich lustig und angenehm respektlos, beim Schreiben muss das großen Spaß gemacht haben; bald aber hat die Lesende den Schmäh intus und wünscht sich insgeheim ein wenig mehr Abwechslung, vor allem bei etwas beschränkter Liebe zum Topos «Zombies». Wer sich (wie die Rezensentin) nicht übermäßig für Untote erwärmen kann, hat eventuell um geschätzte 13 Prozent weniger Genuss. Und überlegt dann, die berühmten Originale doch wieder einmal zu lesen. Ist ja auch kein schlechtes Ergebnis.
Hydra: Holzfällen und Niedermetzeln – und andere ZombieWELTliteratur aus Österreich.
Holzbaum Verlag
April 2013, 128 S.,
ISBN 978-395035081-4