Bis vor wenigen Monaten war ich noch in der leitenden Redaktion des feministischen Monatsmagazins „an.schläge“ tätig. Eines schönen Nachmittags wurden meine Kollegin und ich von einer Journalistin zum Selbstverständnis und zur Arbeitsweise eines feministischen Mediums befragt. Mitten im Gespräch fiel von der Interviewerin plötzlich der Satz: „Medien wie die ,an.schläge‘ dienen doch mehr der Selbstvergewisserung.“ Man kann erahnen, dass dies nicht als Kompliment gemeint war.
Immer wieder werden alternative – damit meine ich: linke – Medien mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden bloßen „Meinungsjournalismus“ betreiben und als „Bewegungsmedien“ den bürgerlichen journalistischen Qualitätskriterien (Objektivität, Aktualität und Relevanz, Unterscheidung zwischen Tatsache und Meinung) nicht genügen. Sehen wir mal ab von der Tatsache, dass eine solche Kritik die journalistischen Leistungen, die alternative Medien täglich vollbringen – man denke an die vielen Nachrichten und Hintergrund-Storys, die uns sonst niemals erreichen würden – völlig verkennt. Denken wir mal andersrum: Was wäre, gäbe es die so oft verschmähten sogenannten Freien Medien nicht?
Eine wesentliche Funktion, die dem Alternativmedienbereich mittlerweile zukommt, ist, den journalistischen Nachwuchs großzuziehen. Als Ausbildungsstätte erfüllen diese niederschwelligen Medien jene Aufgabe, die etwa öffentlich-rechtliche Medien schon seit langem nicht mehr erfüllen. Viele etablierte Journalistinnen haben einst bei einem kleinen Alternativmedium begonnen – und sich eben dort professionalisiert. Ebenso sind es alternative Medien, die das krasse Missverhältnis in der Repräsentation minoritärer Stimmen ausgleichen: So definiert sich zum Beispiel der ORF in seiner Charta als „pluralistisches Medium“, das „der Vielfalt von Interessen von Minderheiten verpflichtet“ ist – doch tatsächlich sind migrantische Perspektiven oder sprachliche Diversität eher bei den Freien Radios zu finden.
Um soziale Bewegungen zu formieren, waren schon immer Medien nötig, die sich als Opposition bzw. als Ergänzung zum Mainstream verstehen. Sie fungieren als „innere“ Diskussionsorgane, führen interne Debatten zusammen (oder dröseln diese auf) und dienen als Plattformen, um alternative Standpunkte zu formulieren. Letztlich erweitern bzw. verschieben Freie oder alternative Medien den hegemonialen Ausschnitt dessen, was sag- und denkbar ist. Sie schaffen eigene, selbstbestimmte Räume der Verständigung, von wo aus versucht wird, in herrschende Diskurse zu intervenieren (und das meist unter prekären Arbeits- und Produktionsbedingungen). Wenn ich genauer darüber nachdenke, klingt das Etikett „Selbstvergewisserung“ eigentlich gar nicht so übel.
Vina Yun ist u.a. Redakteurin bei migrazine.at, dem feministisch-antirassistischen „Online-Magazin von Migrantinnen für alle“.