Seit ein paar Jahren wird im Kulturmanagement das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger und ist nicht zuletzt eine ästhetische Entscheidung.
An einem Sonntag im Juli, um 9.00 Uhr morgens sitzen Eva Falb, Michael Madlmayr und Lisa Wizany am Eingang des Festivalgeländes in Ottensheim und warten. Jetzt ist so ein Moment, in dem man froh ist, dass man trotz der Importwege nicht auf Kaffee verzichtet hat. Nach zwei langen Festivalnächten ist es am Sonntag um 9 Uhr noch ziemlich früh am Morgen. Eva Falb, Michael Madlmayr und Lisa Wizany haben den Abreisedienst für die Festival-Camper übernommen. Zu Beginn des Festivals wählen die Gäste einen Zeltplatz und bekommen Müllsäcke ausgehändigt. Sie bezahlen ein Pfand, das sie nur dann zurückerhalten, wenn sie den Campingplatz aufräumen, ihren Festivalmüll in Säcke trennen und diese am Eingang abgeben. Dass das Pfand aber nur 5 Euro beträgt, zeigt, dass man trotz der frühen Morgenstunde echte Überzeugungsarbeit leisten will.
Eva Falb, Michael Madlmayr und Lisa Wizany haben 2009 mit Unterstützung von Christian Pladerer vom Österreichischen Ökologie Institut ein Konzept zur nachhaltigen Veranstaltung des Open Air Ottensheim entwickelt. Seit 2010 steht ihnen Hermann Rainer vom Klimabündnis Oberösterreich mit Rat und Tat zur Seite. In den Jahren davor brauchte das Festival nach den zwei Festivaltagen und den 2000 bis 3000 Besuchern bis zu drei randvolle Restmüllmulden. „Das ist erstens extrem teuer und zweitens untragbar für ein 2-tägiges Festival“, sagt Lisa Wizany. Seitdem das „Green Project“, wie sich das Konzept nennt, im Festival implementiert ist, kommt man mit einer halb gefüllten Restmüllmulde aus. Die Müllreduktion ist aber selbstverständlich nur ein Teil der umfassenden Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit des Open Air Ottensheim.
Nachhaltigkeit wird über drei Felder definiert, ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit, die sich selbstverständlich in vielen Punkten überschneiden. Das passende Konzept für eine Kulturveranstaltung hängt selbstredend stark von ihren Gegebenheiten ab und muss individuell erarbeitet werden. Bundesweit steht zur Beratung das Österreichische Ökologieinstitut und die Initiative Green Events – die auf die österreichische EU-Präsidentschaft zurück geht, nach deren Motto „Greening the Austrian EU Presidency“ Veranstaltungen, Sitzungen, Konferenzen und Tagungen möglichst umweltgerecht und nachhaltig ausgerichtet wurden – zur Verfügung. In Oberösterreich hilft das Klimabündnis.
Neben Angeboten im Bereich der Mobilität, wie einem Shuttle-Dienst zweimal pro Nacht, und einem nachhaltigen Catering – das Speisen und Getränke, sogar das Bier, von regionalen Anbietern bezieht und nur beim Kaffee eine zumindest faire Ausnahme macht – ging es beim Open Air Ottensheim zentral um die Müllreduktion. Erster Punkt auf der Liste: weg von den Einwegbechern. Mit Unterstützung des Landes Oberösterreich wurde ein Mehrwegbechersystem mit Waschservice ausgeliehen. Denn so kompostierbar und umweltfreundlich manche Einwegbecher angeblich sein mögen, unter dem Ökobilanz-Strich stehen immer größere Umweltbelastungszahlen.
Mit Mehrwegbechern und Keramiktassen wartet auch der Steirische Herbst auf. Das vielleicht größte und sicher spektakulärste Müllvermeidungskonzept des diesjährigen Festivals steckte aber in der Architektur. Die Gruppe Raumlabor Berlin, die bereits 2008 dem Steirischen Herbst ein temporäres Heim gebaut hat und auch bei der regionale12 dabei war, hat für sein großzügiges, einladendes und atmosphärisches Festivalzentrum nur Materialien verwendet, die zur Wiederverwendung gedacht sind, und mit gefundenen Gegenständen aus unterschiedlichen Jahrhunderten und Stilrichtungen ergänzt. 70er-Jahre, Biedermeier, ein Küchenschrank von der Uroma, teilweise lose kombiniert, teilweise ineinander gebaut, aufeinander gestellt, verschachtelt zu einem Lebensraum für Großstadtnomaden. Das Nachhaltigkeitskonzept als eigenständiges Kunstwerk.
Wiederverwendbarkeit, Reduktion der Mittel, soziale Verantwortung bleiben eigentlich nie allein Thema des Managements. Aber es könnte sein, dass es das Management enger mit den künstlerischen Inhalten und Formen verknüpft als jedes andere Thema. Dabei ist das Verhältnis von Kunst und Ökologie durchaus kein einfaches. Angesichts der Tatsache, dass der Klimawandel das größte globale Problem darstellt, ist dessen Repräsentation in der Kunst, auch in der Literatur und im Theater, eher gering. Es gibt natürlich massenhaft Gegenbeispiele, aber grundsätzlich scheinen Ökologie und CO2-Fußabdruck zur dramaturgischen Verarbeitung eher ungeeignete Themen zu sein. Vielleicht, weil außer Faulheit und Gier (immerhin!) keine nennenswerten psychologischen Dispositionen damit verbunden sind.
Andererseits hat der Themenkomplex mit unserer gesamten Wahrnehmungswelt zu tun und betrifft im Kern die Frage, wie wir leben wollen. „Durch das Umweltproblem sind wir in neuer Weise auf unsere Leiblichkeit gestoßen. … [Die] Umweltproblematik wird normalerweise naturwissenschaftlich behandelt. Da geht es um Grenzwerte, da geht es um Schadstoffe in den Lebensmedien Wasser, Luft und Erde. … Aber man kann und muss sie auch ästhetisch stellen, denn für die Frage wie wir in der Umwelt leben, ist letztlich entscheidend, wie wir uns befinden, wie wir uns fühlen, also wie wir unsere Umwelt sinnlich erfahren. Von der Ökologie ausgehend stellt sich die Frage, nach dem Sich-Befinden in Umgebungen“, schreibt der Berliner Philosoph Gernot Böhme in seinem Ästhetik-Band „Atmosphäre“ von 1995.
Tatsächlich sind es neben wissenschaftlichen vor allem räumlich-atmosphärische Strategien, mit denen der Kulturbetrieb zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit gefunden hat. Upcycling, Urban Gardening und biologisches Catering sind in den letzten Jahren aus der Peripherie bei den großen Institutionen und Festivals angekommen. Man diskutiert an langen Tischen im Grünen, baut Gewächshauser, sitzt auf Holzpaletten, eröffnet Ausstellungen zwischen bedruckten Pressspanplatten, grillt gemeinsam unter Apfelbäumen. Lässt nicht am Montag die Aufräumtrupps aus Osteuropa kommen, sondern sitzt am Sonntag um 9 Uhr früh am Festivaleingang und betreut persönlich die Camper. Es ist eine Pointe der Linguistik, dass es häufig die angenehme Atmosphäre ist, über die der Klimawandel thematischen Eingang in Kulturveranstaltungen findet.
Diesen Gedanken verfolgt auch die Initiative KlimaKultur:KulturKlima, die 2005 vom Klimabündnis Oberösterreich ins Leben gerufen wurde und von Hermann Rainer geleitet wird. Das Klimabündnis ist eine weltweit agierende Non-Profit Organisation, die mit ihrer Dependance in Oberösterreich, unterstützt von Bund, Land und Gemeinden, beratend tätig ist und nach dem Motto „Mit grünen Maßnahmen schwarze Zahlen schreiben“ Gemeinden, Betrieben, Schulen und anderen hilft, nachhaltiger zu arbeiten. Um von den etwas trockenen Frontalvorträgen und Workshops wegzukommen und über sinnlichere Veranstaltungen die Menschen anders anzusprechen und mehr Menschen zu erreichen, wurde KlimaKultur:KulturKlima gegründet. Zum Teil mit Eigenveranstaltungen, zum Teil über Partnerschaften mit Festival-Veranstaltern soll „Kulturgenuss mit Bewusstseinsbildung verbunden werden. Es geht um Lebensstil, um Genuss und das einfache schöne Leben“, sagt Hermann Rainer.
Diese oberösterreichischen Partnerschaften sind zahlreich und vielfältig, mit unterschiedlichen Strukturen und Möglichkeiten. In Bezug auf eine einheitliche Zertifizierung, wie sie über „Green Events“ möglich ist, sagt Herman Rainer: „Ich würde das Thema lieber nicht über einen Kamm brechen. Ich bin mehr für Partnerschaften.“ Schon vor der Gründung von KlimaKultur:KulturKlima gab es visionäre Veranstaltungen, wie das Festival Inntöne Diersbach, das in einem Biobauernhof stattfindet, das Bock Ma’s Festival, die Unterkargerer sunnseitn oder das Seewiesnfest in Kleinreifling des Vereins Frikulum, der von den Aktivisten gegen das geplante Atomkraftwerk im Nationalpark Kalkalpen gegründet wurde. In den letzten Jahren sind vorbildlich nachhaltige Projekte wie das Youki Festival in Wels oder das Fair Planet Festival dazugekommen. Seit 2012 sind auch das Linz Fest und die Ars Electronica (für den Festivalteil „Create your World“) Partner von KlimaKultur:KulturKlima.
„Klimakultur fängt im Alltag an“, schreibt Peter Unfried in seinem Artikel in dem Ratgeber „50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern“. „Sie ist auch Popkultur und Konsumkultur beziehungsweise muss es werden. Dafür braucht es die richtigen, neuen Produkte mit den richtigen, massenwirksamen Produktgefühlen.“ Es muss gelingen, für das nachhaltige Denken „eine Sprache und eine Kultur zu begründen, mit der wir andere dafür begeistern können.“ Nichts weniger als das leisten nachhaltig agierende Kulturveranstalter auf mittlerweile breiter Ebene.
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Leseempfehlungen:
„Fest feiern – Leitfaden für die Organisation nachhaltiger Veranstaltungen“
Kostenlose Infobroschüre des Landes Oberösterreich
„Atmosphäre“ von Gernot Böhme
„50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu retten“ Hg.in: Ines Pohl