Zweifel an der Schwarmintelligenz 2.0
Neue Werkzeuge eigenen sich scheinbar vor allem dazu, dass viel heiße Luft in Umlauf gebracht wird. Oft sind es in unserem Umfeld zertifizierte KulturmangerInnen oder kreative Individuen, die dabei helfen, neue Blasen aufzupumpen. In Wahrheit wird aber “verzweifelt” nach neuen Möglichkeiten und Finanzierungsmodellen gesurft, weil es sich der Staat schon vor der Krise einfach äußerst bequem gemacht hat!
Die neue Blase von der hier die Rede ist, und die neue Möglichkeiten der Finanzierung versprechen soll, nennt sich “Crowdfunding”. Wie in der Überschrift „The People Formerly Known as the Audience“ des Artikels zu Crowdfunding in der KUPF Zeitung 143 von David Roetler zum Ausdruck kommt, stammt das Konzept aus den USA. Und das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn in den USA ist Kulturförderung, wie wir sie kennen, ein Fremdwort; sie existiert als Sponsoring. “Crowdfunding-Plattformen” nutzen die Vorteile des 2.0 Klickportal Internets. Zu den bekanntesten Portalen zählen Kickstarter aus USA, Startnext aus Deutschland und in Österreich gibt es die Plattform respekt.net. Diese Plattformen dienen als Präsentationsfläche für Projekte und lassen das direkte Investment von Fans über die Realisierung von Ideen entscheiden – meist nach dem Prinzip Alles oder Nichts. Als Gegenleistung erhalten Fans kleine Geschenke. Jede/r kann hier unbürokratisch ein solches Projekt starten.
Das klingt alles sehr verlockend. Im Moment ist noch davon die Rede, dass Crowdfunding nicht die klassischen Förderstellen ablösen soll. Was ist hier genau gemeint? Geht es um einen „sanften“ Umstieg? Und an welche Zielgruppe richtet sich diese neue Hoffnung vom „großen“ Geld?
Interessant ist vor allem, dass diese Ideen einmal mehr an bereits flexibilisierte, kreative junge IchAGs und MiniAGs gerichtet scheinen. Wobei auch hier eine Unterscheidung zu treffen ist, in welche Bereiche Projektideen oder Vorhaben eigentlich fallen. Design? Film? Musik? Kunst? Weltverbesserung? Tanz? Theater? Mode? Entwicklungshilfe? Und jeder der Bereiche verdient eine spezielle Auseinandersetzung.
Eine etwas kritischere Differenzierung zu einem mit Sicherheit nicht einfachen Thema würde man sich jedenfalls wenigstens in der Kupfzeitung erwünschen.
Warum zum Beispiel führt nicht einmal jemand ein gewagteres Gedankenexperiment durch, und wendet diese neuen lukrativ erscheinenden Möglichkeiten auf beispielsweise städtische Institutionen und deren Inhalte und Programm an? Was wäre, wenn sich das neue Musiktheater über Crowdfunding sein Programm und sein Publikum generieren und finanzieren müsste? Kann man daraus schließen, wenn die Masse bestimmt, was gezeigt wird, dieses folglich gut für ALLE sein muss? Ist es wirklich so einfach? Vielleicht erleichtert es auch anhand dieses plumpen Beispiels zu erkennen, wo der eigentliche Hund auf unterschiedlichen Ebenen begraben liegt? Der Fehler liegt im System.
In Wahrheit können wir das Prinzip des Crowdfundings als eine Professionalisierungsmaschinerie des liberalisierten Marktes begreifen. Beziehungsweise stellt das auch eine Ausbreitung des Marktes und dessen Denkschemata in weitere Lebensbereiche dar.
Denn was eigentlich dahinter steht, um ein Projekt erfolgreich an seine Fangemeinde zu verkaufen ist hoffentlich bei dem kürzlich angebotenen Workshop der Creative Region “Think out loud” neben der sich verbreitenden Euphorie, auch entsprechend vermittelt worden?