Herbstlich trübe Perspektiven für Sexarbeiterinnen. Die Kritik von maiz an dem neu beschlossenen Oberösterreichischen Sexualdienstleistungsgesetz.
Kurzes Durchsuchen der (parteipolitischen) Medien im herbstlich anmutenden Linz: „Ein gelungenes Gesamtpaket, durch das Sicherheit, Arbeitsbedingungen und Gesamtsituation der Dienstleisterinnen deutlich verbessert wird“[1] (Die Grünen), „Über den ganzen Entstehungsprozess wurden sowohl die Interessensvertretungen der Betroffenen als auch die Verantwortlichen von Behördenseite intensiv eingebunden“[2] (SPÖ), “Neues Oö. Sexualdienstleistungsgesetz: Verschärfte Bestimmungen bei Sicherheit und Gesundheit”[3] (ÖVP), „Linz braucht keinen Straßenstrich“[4] (FPÖ). Kann es sich hier um den gleichen Gesetzgebungsprozess handeln? Handelt es sich ausschließlich um parteipolitische Profilierung? Wie lässt sich der Sicherheitsdiskurs, der offenbar zum Kult aufsteigt, mit Verbesserung von Arbeitsbedingungen verknüpfen? Um wessen Sicherheit geht es? Wer sind die „Interessensvertretungen“ der „Dienstleisterinnen“, von denen hier gesprochen wird? Wie wurden diese genau eingebunden?
In Oberösterreich wurden zum ersten Mal die bisherigen Regelungen von Sexarbeit im Polizeistrafgesetz durch ein eigenes Gesetz ersetzt, wobei Beschränkung und Kontrolle der Tätigkeit im Vordergrund stehen. Die Verkündung des Gesetzesbeschlusses auf der Homepage vom Land Oberösterreich wird durch ein Bild begleitet, worauf männliche Hände aus einer Geldtasche einen 100er Schein herausziehen, im Hintergrund eine sich ausziehende Frau.[5] Voyeuristisch, unsachlich, typisch, doch etwas verwirrend, ärgerlich. Zumindest kein Bild von Rotlicht und Stöckelschuhen.
Das am 28.09.2012 kundgemachte Oberösterreichische Sexualdienstleistungsgesetz (OÖ SDLG) schafft keine weitreichenden Verbesserungen der Lebens- und vor allem Arbeitsbedingungen von Sexarbeiterinnen und birgt in einigen Punkten die Gefahr von verstärkten Abhängigkeiten v. a. von Betreiberinnen. Auch wenn Begrifflichkeiten zum ersten Mal korrigiert („Sexualdienstleistung“ ersetzt „Prostitution“, durchaus begrüßenswert) und Hausbesuche endlich ausdrücklich erlaubt werden, bleiben Kontrolle, Pflichten und „öffentliche Sicherheit“ offenbare Schwerpunkte.
Nach nunmehr bestehender Rechtslage ist Sexarbeit in der eigenen Wohnung verboten. Einen Straßenstrich, den Linz ja „nicht braucht“, wird es klarerweise nicht geben. Somit bleibt es den Personen verwehrt, den selbstbestimmtesten Arten der Berufsausübung nachzugehen und über das gesamte Einkommen aus der Tätigkeit zu verfügen. Also werden Sexarbeiterinnen einerseits in die Illegalität gedrängt, andererseits werden erwachsene Menschen durch die auferlegten Kontrollpflichten der Lokalbetreiberinnen paternalistisch entmündigt. Die Probleme der Diskriminierung, Stigmatisierung und Kriminalisierung bleiben aufrecht.
Herbstlich trübe Perspektiven. Umso auffälliger erscheint die Behauptung, dass „Interessensvertretungen“ „intensiv eingebunden“ wurden. Uns von maiz, die einzige Selbstorganisation von Migrantinnen, die in OÖ im Bereich der Sexarbeit tätig ist, ist keine Interessensvertretung für Sexarbeiterinnen bekannt. maiz versteht sich weder als ein Sprachrohr von Betroffenen, noch als Mitwirkende im Prozess der Gesetzgebung. Genauso wie die Sexarbeiterinnen selbst, die keineswegs in der Entstehung der Regelung eingebunden wurden. Trotz wiederholtem Rügen von engagierten Organisationen, maiz inklusive.
Die Rechtlosigkeit, Stigmatisierung und Diskriminierung, die Ausschlüsse, Bevormundung und Instrumentalisierung sind nicht einzigartig für dieses Beschäftigungsfeld. Sie können jedoch durch (Selbst-)Organisationen, die sich für die Rechte der Sexarbeiterinnen einsetzen, durch Allianzen und die gleichsame Entkriminalisierung auf rechtlicher Ebene bekämpft werden. Was durch die Gesetzgebung versäumt wurde, wird längst nicht aufgegeben. Dabei geht es auch darum, die Zusammenhänge zwischen Sexarbeit, (Frauenarbeits-)Migration, globaler Arbeitsteilung, (vergeschlechtlichtem, rassistischem) Arbeitsmarkt und Prekarisierung, Care-Krise und Sex zu erkennen, zu thematisieren und zu problematisieren. Und um Widerstand.
So versteht sich auch die EU Parlamentarierin, die „Super Puta Pradastern“ als ein Ausdruck von Widerstand. „Sie kämpft seit über 30 Jahren für die Rechte von Transgender-Migrantinnen in der Sexarbeitsindustrie. Super Puta macht sich als politisches Subjekt sichtbar und weist stigmatisierende Bilder von sich. Sie kämpft gegen neoliberale Ausbeutung in Migrations-Regimen von racialized bodies“[6].
[1]LAbg, Maria Buchmayr, Die Grünen, http://www.ooeplanet.at/aktuelle-ausgabe/artikel/artikel/deutliche-verbesserungen-durch-sexualdienstleistungsgesetz/?tx_ttnews%5BbackPid%5D=422&cHash=ad3415dd434c2c32f0b2c508368f938a
[2] LAbg, Zweite Präsidentin des Oö Landtags Gerda Weichsler-Hauer, SPÖ, http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120418_OTS0122/einigung-erzielt-sexualdienstleistungsgesetz-verbessert-schutz-fuer-alle-betroffenen
[3]Untertitel auf ÖVP- Homepage, http://ooevp.at/themen/gesundheit/news-detail/news/detail/News/verbot-des-strassenstrichs-in-oberoesterreich-bleibt-aufrecht
[4] Sicherheitsstadtrat Detlef Wimmer, FPÖ, http://www.fpoe-linz.at/2012/03/28/str-wimmer-%E2%80%9Estrasenstrich%E2%80%9C-aus-planen-fur-sexualdienstleistungsgesetz-streichen/
[5] ttp://www.land-oberoesterreich.gv.at/cps/rde/xchg/ooe/hs.xsl/113274_DEU_HTML.htm
[6] Aus ein preisgekröntes Performance von maiz Kultur im Rahmen des Leonart- Festivals 2011