Die Zuverlässigkeit der Unruhe nicht vergessen!

Ein Zwischenruf zur Eröffnung des neu adaptierten und umgebauten Welser “Medien Kultur Haus”.

Es ist soweit. Das neue Medien Kultur Haus wurde in einem Festakt am 19. Oktober eröffnet. Wunderschön ist es geworden. Das Programmkino hat endlich einen fixen Schauplatz erhalten und kann täglich in zwei Sälen spielen. Die Galerie der Stadt Wels ist in den ersten Stock gezogen und hat am Eröffnungswochende mit der veritablen Fotografie-Ausstellung „Kunstgesichter“ mit Künstler- und Künstlerinnenporträts von Elfie Semotan und Rudolf Sagmeister eröffnet. Das Lesekompetenzzentrum „Buch.Zeit“ und „Reizend!“, der Verein zur Vermittlung soziokultureller Medienprojekte, bezogen ihre Arbeitsstätten. Das Welser Kaiserpanorama, eines der wenigen noch original erhaltenen stereoskopischen Rundpanoramen der Welt, hat nach einigen Umzügen Raum im neuen Haus gefunden. Natürlich ist das MKH die Homebase des internationalen Jugend Medien Festivals „Youki“. Und das Medien Kultur Haus ist Teilhaberin, Kooperationspartnerin und Regionalstudio des Fernsehsenders dorf. Im Anbau im Hof gewährleistet neuerdings “Nai Baan” mit moderner und traditioneller Thai-Küche eine gastronomische Grundversorgung in der Kulturstätte. Von einem kleinen Museumsquartier ist sogar die Rede. Dann ist es aber schon das zweite in Wels, wenn man auf den Alten Schl8hof nicht vergessen will. Dieser und das MKH haben ein gemeinsames Alleinstellungsmerkmal in der weiten und breiten Kulturlandschaft: Die Konstruktion dieser beiden Kulturstätten ist nicht ganz leicht zu durchschauen. So steht das “Medien Kultur Haus/” für den Ort. Und “mkh°” für den Verein, der für die Geschehnisse wie Medienprojekte und Vermittlung sorgt. Ähnlich verhält es sich im Alten Schl8hof und dem Kulturverein Waschaecht. 

 

Bei Tischen und in erwünschter Abendkleidung wurde das neu an- und umgebaute Haus eröffnet. Der Eröffnungsabend wurde in die dramaturgischen Hände von „theaternyx“ gelegt, wohl um einen „anderen“ Festakt, wie bei solchen Gelegenheiten üblich, zu versuchen. Es war zwar anders, aber deswegen nicht weniger belanglos. But it didn’t really matter! Einziger inhaltsschwerer Lichtblick dabei war die kabarettistisch anmutende Diashow über die architektonische Herkunft des historischen Hauses, die Dietmar Neururer, einer der beiden Umbau-Architekten, mit wackliger Projektion und rhetorischen Vermittlungsqualitäten “performt” hat.

 

Die Ohren spitzt man, wenn Botschaften wie „The MKH is the Message!“ im Freudentaumel abgefeuert werden. Der Medientheoretiker Marshall McLuhan darf hier unverhofft und posthum Pate für ein modifiziertes Zitat  sein. Geht man dem auf den Grund, heißt dies, das Haus selbst ist die Botschaft. Auch wenn viel und gut investiert wurde, wäre dies alleine doch reichlich wenig. Die Tendenz, sich auf das Formale zu beschränken, sorgte schon bei der Einladung für meine Irritation. Dieser lag eine schwarze Karte bei, die sich beim ersten Blick wie ein Dank für die Anteilnahme am Hingang eines geliebten Menschen ausnahm. Der zweite Blick war nicht weniger beunruhigend, darauf wurde allen politischen Verantwortlichen von links bis ganz rechts, von Unterstützern bis zu langjährigen Blockierern, hemmungslos und ausdrücklich gedankt. Soll diese allumfassende Umarmung eine Geste sein, um parteipolitische Neutralität zu suggerieren? Ist es eine opportune Flucht nach vorne für etwaige künftige Farbwechsel an der Stadtspitze? Ein bedenkenswertes, viel mehr bedenkliches Signal hat die MKH-Spitze hier gesetzt.

 

MKH-Chef Günter Mayer bezeichnete das MKH in seiner Eröffnungsrede letztlich und beunruhigend beruhigend als “Kulturvehikel” – also etwas, das als Mittel dient, etwas auszudrücken oder zu begründen. Der kulturelle Zweck heiligt das Mittel, aber nicht das Mittel selbst, auch wenn es noch so schön ist. Stätten der Kunst und Kultur sind Orte, an denen Unruhe herrschen muss. Diese darf in keinem Fall aufgegeben werden. Mag deren Ausübung noch so unbequem sein. So wie es in Walter Helmut Fritz’ Gedicht “Die Zuverlässigkeit der Unruhe” aus dem Jahre 1966 heißt: Nicht einwilligen./Damit uns eine Hoffnung bleibt./Mit den Dämonen rechnen./Die Ausdauer bitten, sie möge mit uns leben./Die Zuverlässigkeit der Unruhe nicht vergessen.

 

www.medienkulturhaus.at