“Die gemachten Fehler sind normal”

“Die gemachten Fehler sind normal” (Birgit Breuel, 4. Treuhand-Präsidentin)

 Dies ist buchstäblich ein Wirtschaftskrimi. Auf dem Cover: Vier Anzugträger ohne Gesicht vor weißem Hintergrund. Der Fall: Der Ausverkauf der DDR von 1989 – 1994.

§ 8 des Treuhandgesetzes regelte die Agenden der Treuhandanstalt THA, auch kurz „Treuhand“, die in der Spätphase der DDR auf Bundesebene das Volkseigentum in den Kapitalkreislauf umstellen sollte. Nach dem Zusammenbruch der UDSSR kam das Ende der DDR schnell. Und ebenso blitzartig verschoben sich die kapitalen und sozialen Grundlagen abrupt. Eine Wohnung in der DDR kostete 23 Mark. Es kommt zur Vereinigung und es stellte sich somit unmittelbar die Frage: Wie kann das Volkseigentum der DDR in den kapitalistischen Kreislauf transformiert werden? Und was kostet eine Wohnung danach in einem der neuen Bundesländer? Und während die Akteure der so plötzlich ins Leben gerufenen Treuhand mit den politisch Verantwortlichen noch die ersten bundesweiten Strukturen für dieses Monsterunterfangen legen, beginnt hinter deren Rücken, mehr oder weniger geduldet, bereits der Ausverkauf der DDR. Die Bürgerinnen der BRD und der alten DDR verfolgen die Schlagzeilen und nehmen kaum Notiz von der Geburt der Treuhand.

Unvergessen die Beschreibungen von Einzelfällen, in denen Gauner bloß mit dem Mercedes in Halle a. d. Saale vorfahren, um sich ein Stück vom Traditionsunternehmen Carl Zeiss unter den Nagel reißen. Doch das Buch bündelt nicht bloß eine Auflistung von aufsehenerregenden Einzelfällen, sondern ein dicht gewobenes Sittenbild der deutschen Wirtschaftspolitik, indem selbst der spektakuläre Mord an Detlev Karsten Rohwedder in den Hintergrund rückt. Stichwort Politik: Unvergessen auch jene Schauplätze der Vereinigung, die von Seiten des DDR-Ministerpräsidenten mit Für Deutschland einig Vaterland eingeläutet werden, dem auch die Zeitungen des Springer Medienunternehmens “begeistert” folgen. Die BILD titelt dazu plump: “Beschlossen: Deutschland!” Mit bleiernen Augen liest man sich durch Szenarien, die Politiker auf Wählerfang zeigen und das wählende “Publikum” sich selbst vergessen lässt. Es gibt plötzlich Bankomaten, die einfach Geld drucken!

Ein desillusionierendes Lehrstück der Privatisierung und Enteignung, das aufzeigt, wie 15000 Betriebe und vier Millionen Angestellte von der Treuhand anhängig wurden. Ein unerbittliches Sittenbild deutscher Brüder und Schwestern, bei denen jene im Westen von Goldgräberstimmung und im Osten vom Aufbruch geleitet wurden. Letztlich sagte man nach der Stilllegung der Treuhandanstalt “größtes Schlachthaus Europas” zu ihr.

Der Autor Dirk Laabs hat zur Treuhand 2012 auch einen Dokumentarfilm gedreht.

 

Dirk Laabs. Der deutsche Goldrausch. Die wahre Geschichte der Treuhand. 384 S. Pantheon 2012. ISBN: 978-3-570-55164-6