Im Jahr 2011 standen dem Bund laut Kunstbericht 85,28 Millionen Euro für Kunstförderung zur Verfügung (neben den Aufwendungen für die Bundestheater: 144,436 Millionen Euro und für die Bundesmuseen ohne ÖNB: 84,625 Millionen Euro).
Das Bundeskunstförderungsgesetz zielt zentral darauf ab, das (zeitgenössische) künstlerische Schaffen und dessen Vermittlung sowie die Beteiligung aller Bevölkerungskreise zu fördern und die soziale Lage der Künstlerinnen zu verbessern (siehe Infos nachstehend). Interessant ist, dass laut Gesetz die „entsprechenden Mittel“ zur Verfügung zu stellen sind und nicht etwa die Förderung nach Maßgabe der vorhandenen Mittel erfolgt.
Nur ein Siebzehntel der 85 Millionen, nämlich 4.995.000 Euro, wurde für die Förderung regionaler Kulturinitiativen verwendet. Sie sind es, die in erster Linie dafür sorgen, dass alle Bevölkerungskreise an zeitgenössischer Kunst teilhaben können. Nicht nur, weil sie auch abseits der Ballungszentren übers ganze Land verteilt sind, sondern auch deshalb, weil sie mit ihren Programmen bewusst und konkret benachteiligte Gruppen ansprechen und auch erreichen.
Die interministeriellen Arbeitsgruppen (IMAGs), die nach der letzten Erhebung zur sozialen Lage der Künstlerinnen[1] installiert wurden, können nach etwa dreijähriger Arbeit genau zwei konkrete Ergebnisse mit wenig Auswirkung vorweisen.[2]
Angesichts der nach wie vor prekären sozialen Lage der Künstlerinnen sowie der Kulturarbeiterinnen[3] und angesichts der regionalen Verteilung der Mittel sind aus Sicht der Autorin weder das Ziel, die Teilhabe aller Bevölkerungskreise zu ermöglichen, noch jenes der Verbesserung der sozialen Lage der Künstlerinnen, erreicht worden.
Betrachten wir nur das Siebzehntel, das den regionalen Kulturinitiativen zur Verfügung steht, könnte Oberösterreich bezüglich der regionalen Verteilung zufrieden sein: Bei einem Bevölkerungsanteil von 17,14% erhält Oberösterreich 17,16% der Förderungen der zuständigen Abteilung. Ganz anders sieht es aus, wenn die großen Förderungen aller Abteilungen (Film, Musik…) regional zugeordnet werden: Förderungen von 200.000 Euro und darüber landen nur zu 0,93% in Oberösterreich. Wien erhält davon 35% bei 19,3% Bevölkerungsanteil.
Werden die Personenförderungen gerecht unter Frauen und Männern verteilt? Personenförderungen machen nur einen sehr kleinen Teil der Förderungen der Kunstsektion aus, nämlich knapp 6,5 Millionen (7,6%). Gerade deshalb sollte es einfacher sein, hier ausgewogen zu fördern. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass in sieben von neun Bereichen Männer im Durchschnitt höhere Förderungen erhalten als Frauen (Kunstbericht 2011 Seite 10).
Wenn sich die Bundeskunstförderung nicht an den zentralen Vorgaben des Kunstförderungsgesetzes orientiert, also darauf abzielt, zeitgenössisches Kunstschaffen allen Bevölkerungskreisen zugänglich zu machen und die soziale Lage der Künstlerinnen zu verbessern, woran orientiert sie sich dann?
Wer öffentliche Kunst- und Kulturförderung nach impliziten Verteilungskriterien untersucht, findet regelmäßig die folgenden – völlig unabhängig davon, was in den expliziten, veröffentlichten Kriterien geschrieben steht:
– Die Trägerschaft bzw. die Identifikation des Fördergebers („eigene“ Einrichtungen)
– Das Alter der Einrichtung = „Senioritätsprinzip“[4]
Alle Gebietskörperschaften, auch der Bund, fördern zunächst die eigenen Einrichtungen oder solche, die sie als eigene betrachten, auch wenn die formale Trägerschaft eine andere ist. Dazu sind sie nur teilweise gesetzlich verpflichtet. Weiters fördern sie Einrichtungen anderer Gebietskörperschaften, wozu sie sich mitunter durch Staatsverträge freiwillig verpflichten.
Ältere Einrichtungen werden besser gefördert als jüngere, obschon dies in den meisten Fällen dem oft angeführten, expliziten Kriterium der künstlerischen Innovation widerspricht.
Die interessanteste Frage, nämlich ob mit den Förderungen des Bundes die „richtigen“ Angebote gemacht werden, damit alle entsprechend etwas davon haben, wird recht ausführlich im „Kulturinfarkt“[5] erörtert. Klar ist: Wenn der Löwenanteil der öffentlichen Förderung – sei es auf Bundes- oder Landesebene – für Theater ausgegeben wird, und davon wiederum der größte Teil für Musiktheater (Oper), dann ist das ein Minderheitenprogramm für das Bildungsbürgertum im Alter 57+, das sich die Theaterkarten auch leisten könnte, wenn sie das Doppelte kosten würden. Diese Besserstellung der gut Gestellten wird auch nicht wett gemacht, wenn der Bund über Kulturkontakt ein paar Hunderttausend Euro an Kooperationsprojekte von Kultureinrichtungen und Schulen ausgibt.
Bundeskunstförderungsgesetz von 1988: Mit diesem Gesetz hat sich der Bund eine Kunst- und Kulturkompetenz zusätzlich zu Bundesmuseen und den Bundestheatern gegeben.
§ 1. (1) Im Bewusstsein der wertvollen Leistungen, die die Kunst erbringt und in Anerkennung ihres Beitrages zur Verbesserung der Lebensqualität hat der Bund die Aufgabe, das künstlerische Schaffen in Österreich und seine Vermittlung zu fördern. Für diesen Zweck sind im jeweiligen Bundesfinanzgesetz die entsprechenden Mittel vorzusehen. Weiters ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die finanzielle und organisatorische Förderung des künstlerischen Schaffens durch Private und der sozialen Lage für Künstler anzustreben.
(2) Die Förderung hat insbesondere die zeitgenössische Kunst, ihre geistigen Wandlungen und ihre Vielfalt im Geiste von Freiheit und Toleranz zu berücksichtigen. Sie hat danach zu trachten, die Kunst allen Bevölkerungskreisen zugänglich zu machen und die materiellen Voraussetzungen für die Entwicklung des künstlerischen Lebens in Österreich zu verbessern.
[1] http://www.bmukk.gv.at/kunst/bm/studie_soz_lage_kuenstler.xml
[2] http://kulturrat.at/agenda/imag/
[3] Die Erhebung der sozialen Lage der Kulturarbeiterinnen verweigert die zuständige Ministerin mit den Argument, die Einkommensproblematik der Kulturarbeiterinnen sei über das Budget der Kunstsektion nicht zu lösen (Aussage Schmied am 8. März 2012 in Bregenz) und die Länder und Gemeinden seien zuständig http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_11564/fname_262190.pdf
[4] Siehe z.B. die Evaluierung der Kulturförderung der Stadt Graz 2011 durch T. Zembylas/J. Alton (nicht mehr im Netz)
[5] Haselbach, Dieter / Klein, Armin / Knüsel, Pius / Opitz, Stephan: Der Kulturinfarkt. Von Allem zu viel und überall das Gleiche. Eine Polemik über Kulturpolitik, Kulturstaat, Kultursubvention. ISBN: 978-3-8135-0485-9