Die beiden CBA-Entwickler Ingo Leindecker und Thomas Diesenreiter meinen, es sei an der Zeit, die politische Auseinandersetzung um „das Recht – im Netz zu senden“ zu führen. Was meinen sie damit?
KUPF: Cultural Broadcasting Archive (CBA) ist ein offenes und nicht-kommerzielles Archiv und wurde vor über zehn Jahren von Radio FRO initiiert. In seiner Geschichte hat es sich stetig weiterentwickelt. Was ist es heute für euch?
TD: Es erfüllt unterschiedliche Funktionen, die nicht nur für den Alltag der freien Radios wichtig sind. Die Einstiegsseite des CBA spiegelt das schön wider: wir begrüßen die Leute mit „Austauschplattform, Archiv, Podcast-Provider und Zeitdokument“. Das CBA ist eine Fülle von Daten, die das politische und gesellschaftliche Leben einzelner Regionen dokumentieren.
KUPF: Im Netz gibt es jetzt unzählige Angebote, eigene Inhalte kostenlos zu veröffentlichen. Was macht das CBA in diesem Kontext weiterhin bedeutsam?
TD: Erstens ist das Archiv eine Sammlung von ähnlichen Inhalten. Die Leute, die etwas auf das CBA laden, sind auch gleichzeitig die stärksten Nutzer des Archivs. Da gibt es also einen Community-Aspekt. Auf der anderen Seite haben wir kein kommerzielles Verwertungsinteresse. Die Daten bleiben zu 100% unter der Kontrolle der User.
IL: Darüber hinaus macht das CBA sicher die Werbefreiheit und auch die Unabhängigkeit der Infrastruktur stark. Sie wird vom Verband der Freien Radios zur Verfügung gestellt.
TD: Servus.at ist unser langjähriger Partner, der diese Infrastruktur betreibt. Wir verwenden auch ausschließlich freie Software für den Betrieb des CBA.
KUPF: Im Rahmen der Konferenz ARCHIVIA wurden im Vorfeld der heurigen ARS Electronica einige der Probleme thematisiert, vor denen digitale Archive wie das CBA mitunter stehen…
TD: Schwierig wird es prinzipiell immer dann, wenn Rechte Dritter berührt werden. In den traditionellen Mediensektoren wie dem UKW-Rundfunk ist klar geregelt: Du hast als Frequenzinhaber das Recht zu senden und die Rechteverwerter haben die Pflicht, dir eine (kostenpflichtige) Lizenz zu geben. Dieses Recht „zu senden“ – also Inhalte (zB. eine Radiosendung) zur Verfügung zu stellen – gibt es im Onlinebereich aber noch nicht. Damit ist man als kleiner Archivbetreiber wie wir natürlich in einer sehr schwierigen Verhandlungsposition.
IL: Man ist zusätzlich den Rechteinhabern ausgeliefert, ob es überhaupt eine Lizenz gibt.
TD: Wir sind davon überzeugt, dass es bald eine politische Lösung braucht. Das heißt: Was sich die Freien Radios in den 80er und 90er Jahren erkämpft haben, muss jetzt wieder erkämpft werden: Das Recht, zu senden – dieses Mal aber im Netz.
IL: Es geht uns hier explizit um nicht-kommerzielle Archive, die den freien Zugang zu Information zum Thema haben. Die Inhalte, um die es sich da dreht, wurden ohnehin bereits aus Mitteln der öffentlichen Hand finanziert. Wir sind der Meinung, dass es möglich sein muss, diese Inhalte der Gemeinschaft auch wieder zuführen zu können.
KUPF: Gibt es innerhalb der CBA-Community ein Bewusstsein für die demokratiepolitische Bedeutung des Archivs?
TD: Man merkt schon, dass ein Paradigmenwechsel in der Nutzung stattfindet. Es gibt Sendungsmacherinnen, die ihre Programme auf das CBA laden und dann ihren Radiostationen den Link schicken und sie bitten, auf diese Art zu senden. Das bedeutet, dass das CBA mehr und mehr zum Erstausstrahler wird. Ich glaube aber, dass wir in der Debatte um die Zukunft der Freien Radios ziemlich am Anfang stehen.
KUPF: Vor welchen Herausforderungen stehen die Freien Radios?
TD: Es gilt, das CBA weiterzuentwickeln, die Pioniererfahrung der vergangenen Jahre zu nutzen und sich Gedanken zu machen, wie das Freie Radio in zehn Jahren aussehen kann. Wenn die Leute dann nur mehr mit Tablets und Smartphones herumlaufen und keiner mehr einen Computer zuhause stehen hat; wenn die analogen Funkfrequenzen abgeschaltet werden: Wie kann man die Leute dann am besten erreichen? Es gibt mit dem CBA die große Chance, sehr früh neue Sachen auszuprobieren und neue Wege erschließen zu können.
KUPF: Was ist eure persönliche Vorstellung, wie es in zehn Jahren aussehen wird?
IL: Ich hoffe und glaube, dass in den nächsten Jahren das Bewusstsein für den politischen Aspekt dieses Archivs stark zunimmt. Ich glaube auch, dass Distributionsangebote wie zum Beispiel Websites der einzelnen Freien Radios, stärker mit der Plattform zusammenwachsen werden.
TD: Der Bewusstseinswechsel in der Community ist auch die Frage eines Generationswechsels, der ansteht. In sehr vielen freien Radiostationen sitzen keine Digital Natives in den Führungspositionen und Leitgremien … Ich hoffe wirklich, dass so ein Umschwung bald passiert. Weil sonst springen die jungen Leute ab.
IL: Es geht für die Freien Radios um die Übersetzung des eigenen Auftrags in die Netzsphäre.
TD: An dieser Stelle möchte ich das wunderbare Peter Kruse-Zitat einbringen: „Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Geduld.“
IL: Ja, genau. „Steter Tropfen höhlt den Stein“ lautet in dem Fall auch meine Strategie.
Links:
http://cba.fro.at
Das Interview führte Thomas Kreiseder – eine Langversion des Gesprächs ist auf www.thomaskreiseder.com verfügbar.