2012 ist das Jahr, in dem die Urheberrechtsdebatten auch in Österreich angekommen sind. Dank der kostspieligen „Kunst hat Recht“-Kampagne (es wird von einem Auftragsvolumen von rund 360.000 EUR gesprochen[1]), die von einer PR-Agentur, die ansonsten Aufträge von Pharmakonzernen annimmt, durchgeführt wird, ist das Thema nach einigen erfolglosen Versuchen der IFPI in den Jahren zuvor im Mainstream angelangt.
Das ist zwar weniger das Verdienst der Agentur als vielmehr der breiten Sensibilisierung, die die Empörung rund um ACTA ausgelöst hat. Und es ist auch dem Umstand geschuldet, dass mittlerweile nicht nur eine Handvoll Rechteverwerterinnen und einige wenige Stars vom Urheberrecht betroffen sind, sondern Userinnen in ihrem kommunikativen Alltag in einem digitalen Umfeld.
Ein Gutes hat die Kampagne doch, weil sie deutlich die strukturellen Probleme der österreichischen Debatte um das geistige Eigentum sichtbar macht:
Die Kosten der Kampagne werden von den Verwertungsgesellschaften außer der VDSF getragen. Ob dies nun zulasten der SKE-Fonds geht oder nicht, bleibt im Dunklen, da sich die immer beschworene Transparenz dieser Institutionen auf die Ausschüttungen aus den SKE-Fonds beschränkt. Was dem gegenüber schon weitaus deutlicher hervortritt, ist die enge Kooperation mit der Unterhaltungsindustrie wie beispielsweise mit der IFPI (in Österreich in Personalunion mit der LSG – Verwertungsgesellschaft für Leistungsschutzrechte) und die daraus abzuleitende Positionierung den Künstlerinnen gegenüber. Nachdem ungefähr 5% der bezugsberechtigten Personen 95% der Gelder erhalten, während der große Rest praktisch leer ausgeht, spricht eine derartige Positionierung eine eindeutige Sprache.
Doch es ist heuer auch Bewegung in die Parteienlandschaft gekommen, was dieses Thema angeht – spannenderweise in beide Richtungen des politischen Spektrums. Einige Interessenvertretungen, Urheberinnen und die bereits erwähnten Industrielobbys gehen mit den Positionen der ÖVP im Gleichschritt in Richtung gesetzlicher Verschärfungen zugunsten von Großunternehmen. Unter dem Deckmäntelchen der Sorge um Künstlerinnen. Hier wird auch gleich ein weiteres Spezifikum der österreichischen Debatte offensichtlich: Wie auch im Sport sind auch hier lauter Weltmeister unterwegs. Denn im Unterschied zum Rest der Welt hat man in Österreich sämtliche Antworten dafür parat, wie denn nun gesetzliche Rahmenbedingungen für immaterielle Güter und Dienstleistungen, deren Erstellung zudem in den meisten Fällen öffentlich finanziert wurde, aussehen sollen. Verwundert nur, warum sämtliche interdisziplinäre Forschungskonsortien nicht Schlange stehen, um auch von der Frucht der Erkenntnis zu naschen. Diese provinzielle Haltung passt zu dem Vorgehen, Betroffene mit all ihrer berechtigten Verunsicherung zu Expertinnen zu stilisieren. Nur, Betroffenheit ist nicht mit Expertise gleichzusetzen – auch wenn die Einbeziehung der Betroffenen unverzichtbar ist.
Die SPÖ hingegen betreibt seit 2010 hier einen offenen Diskussionsprozess, der sich sogar Blicke über den nationalen Tellerrand gestattet, was zu einem durchaus lesenswerten Positionspapier geführt hat. Doch bedauerlicherweise fehlt auch hier eine seriöse Datenbasis, auf deren Grundlage neue Modelle erarbeitet werden können. Während in Großbritannien interdisziplinäre Forschungskonsortien mit signifikanten Summen unterstützt werden, um Projekte durchführen, die methodische Fragen, die Sinnhaftigkeit von Fördermodellen etc. näher untersuchen, wird hier auf der Basis von Daten unklarer Herkunft argumentiert. Und wird einmal eine Studie gemacht, von einem Consultingunternehmen, wohl gemerkt, nicht von einer Forschungseinrichtung, wie die aktuelle Studie zur Filmverwertung, die im Auftrag des BMUKK durchgeführt wurde, so bleibt auch diese ein (öffentlich finanziertes) Staatsgeheimnis. So kann weiterhin Radau geschlagen werden, eine seriöse Debatte ist auf dieser Basis allerdings nichtmöglich.
Kürzelsalat:
IFPI Austria – Verband der Österreichischen Musikwirtschaft
VDSF – Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden
SKE-fonds – Soziale und kulturelle Einrichtungen der austro mechana
LSG – Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GmbH
[1] Stefan Grissemann, Urheberrechtsgesetz: Faire Bezahlung für die Kunst? http://www.profil.at/articles/1217/560/326328/urheberrechtsgesetz-urheberrechtsgesetz-faire-bezahlung-kunst; 31.07.2012