Franz Fend stellte bei der Verleihung des Förderpreises für integrative Kulturarbeit „Stadt der Kulturen“ Ende Januar 2012 das Konzept des Preises und „Integration“ an sich in Frage.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Werte Teilnehmer_innen beim Integrationspreis der Stadt Linz
Werte Preisträger_innen.
Ich darf mich zuerst einmal bei allen Einreicher_innen zum diesjährigen Integrationspreis der Stadt Linz herzlich bedanken. Alle Projekte haben die Tätigkeit in der Jury zu einer spannenden und inspirierenden Arbeit gemacht. Speziell natürlich die preisgekrönten Projekte, die mit Sicherheit dazu beitragen werden, dass Linz ein Stück reicher werden wird.
Und das reicher beziehe ich nicht auf die erbärmlich geringe Dotierung dieses Preises.
Erlauben Sie mir bitte eine persönliche Anmerkung: Ich habe bei der Jurytätigkeit mehr gelernt als an anderen Orten. Denn diese Tätigkeit bedeutete für mich nicht nur über die eingereichten Projekte nachzudenken, vielmehr auch, den Preis selber zu reflektieren. Eine der Lehren, die ich daraus gezogen habe ist, dass es eine Anmaßung ist, hier zu stehen und darüber zu berichten wie mehrheitlich Angehörige der österreichischen Mehrheitsgesellschaft über Projekte, die das migrantische Leben in Linz betreffen, geurteilt haben. Eine Anmaßung und eine Vermessenheit. Aber es zeigt, wie unsere Gesellschaft verfasst ist: Hier wird über Migrant_innen gesprochen, nicht Migrant_ innen sprechen über ihre Belange.
Man kann, wenn man so will, diesen Preis als Fortsetzung des institutionellen Rassismus hierzulande lesen. Denn solche Preise bringen doch stets zum Ausdruck, dass die Mehrheitsgesellschaft von Migrant_ innen etwas verlangt, etwas von Migrant_innen einfordert. Nämlich, egal mit welchen Thema der Integrationspreis überschrieben ist, Integration, Gehorsam oder wie immer das man bezeichnen möchte. Aber Integration ist, wie der Philosoph Ljubomir Bratić das formuliert, immer auch Unterwerfung, zumindest in der vorherrschenden Lesart des Begriffes.
Die Frage lautet also: Fordern wir also die Unterwerfung unter die Machtverhältnisse, welche Migrant_innen keine Stimmen und keinen Platz geben? Die Unterwerfung unter die rassistischen Gesetze hierzulande, die von den Niederlassungsgesetzen über die Ausländerbeschäftigungsgesetze bis hin zu den Asylgesetzen mit ihren Arbeitsverboten und Anwesenheitspflichten reichen. Und im Wahlrecht, das am deutlichsten zum Ausdruck bringt, dass Migrant_innen hierzulande meist keine Stimme haben, gipfelt? Wenn die Mehrheitsgesellschaft Integration einfordert, dann bedeutet das auch die Hinnahme der so genannten öffentlichen Meinung, die Migrant_innen als Scheinasylant_innen, als Drogendealer_innen, als integrationsunwillige Sozialschmarotzer_innen denunziert. Ich spreche hier noch gar nicht von den systematischen rassistischen Übergriffen der Exekutive und dem menschenverachtenden Abschieberegime, welches man mit Fug und Recht als mörderisch bezeichnen kann.
Ich bin mir sicher, dass die Erfinder_innen des Linzer Integrationspreises dies nicht beabsichtigt haben. Vielmehr vermute ich, dass wohl- und gutmeinend, hier in Linz lebenden Migrant_innen eine Bühne geboten werden sollte. Aber eine gemeinsame Bühne von Migrant_innen und Mehrheitsgesellschaft kann es nur geben, wenn beide Gruppen über die gleichen Rechte verfügen. Über die gleichen sozialen Rechte, und die gleichen politischen Rechte. Und vor allem über das Recht, nicht ständig angegriffen zu werden, nicht auf Schritt und Tritt verfolgt zu werden, nicht von allen Seiten denunziert und beleidigt zu werden.
Ich befürchte, dass es noch einer längeren Zeit der Auseinandersetzungen bedarf, bis gleiche Rechte für alle hier Lebenden durchgesetzt sein werden. Bis dahin würde ich vorschlagen, die Fragestellung des Integrationspreises umzukehren: Nicht was fordert die Mehrheitsgesellschaft von den Migrant_innen ein, sondern was erwarten Migrant_innen von der Mehrheitsgesellschaft. Und, wenn wir die Fragestellung umkehren, sollten wir ihn auch nicht weiter Integrationspreis, sondern frei nach Bratić, Desintegrationspreis, nennen. Dies wäre dann zumindest nicht mehr ganz so anmaßend.
Danke.