Thomas Diesenreiter über skandalöse Parallelen zwischen Tirol und Oberösterreich.
Wie politisch Kunst sein darf, sein muss oder es doch nicht sein sollte, ist seit ehedem ein beliebtes Streitthema unter KünstlerInnen und Kulturschaffenden. Ob Kunst mit politischem Anspruch oder Politik mit den Mitteln der Kunst, die Grenze zu ziehen fällt oft schwer, ist meist aber auch müßig.
Der israelische Künstler Ronen Eidelman meinte dazu vor kurzem: „Zieht man als Künstler eine deutliche Grenze, sichert man sich durch die Autonomie der Kunst ab, geht aber das Risiko ein, ihr die Effektivität zu nehmen. (…) Wer auf dem Autonomiestatus der Kunst beharrt, macht ihre Rezeption und Bewertung vorhersehbar.“ Dass die Rezeption von Kunst mit politischem Anspruch daher oft anders ausfällt als man erwartet, zeigt der jüngste Zensurvorfall in Tirol. Dort existiert unter der Leitung der KUPF-Schwesterorganisation TKI – Tiroler Kulturinitiativen – ein dem oberösterreichischen Innovationstopf ähnliches Fördermodell namens TKI Open. 2011 rief die TKI unter dem Motto „kein thema“ auf, Projekte zu realisieren, die in der öffentlichen Wahrnehmung kein Thema waren, aber eines werden sollten. Eine von der TKI eingesetzte, politisch unabhängige Jury entschied sich für die Förderung von sieben Projekten. Doch zwei dieser Projekte schienen der ÖVP Kulturlandesrätin nicht ins politische Konzept zu passen. Die Förderung von Oliver Resslers „Wahlen sind Betrug“ und Tal Adlers „Alpenländische Studien“ wurde abgelehnt. In offiziellen Stellungnahmen wurde mit formalen Gründen für die Ablehnung argumentiert, in persönlichen Gesprächen auch mit inhaltlichen. Und zwar durchaus dreist: „Die Arbeit kann nicht gefördert werden, da der Text auf dem Plakat falsch ist.“ hieß es zu Resslers Arbeit. Er wollte den 68er Slogan „Wahlen sind Betrug“ über einem Alpenpanorama großflächig in der Innsbrucker Innenstadt plakatieren. Tal Adlers Projekt sollte sich dem Umgang der TirolerInnen mit der NS-Vergangenheit widmen, auch dieses wurde mit windigen Argumenten zuerst abgelehnt. Nach einer ersten, breiten Protestwelle signalisierte das Land bei Tal Adlers Projekt Verhandlungsbereitschaft, eine schriftliche Förderzusage gibt es aber bis heute nicht. Zu Resslers Projekt möchte man sich lieber gar nicht mehr äußern. Was bleibt nun nach diesem zweiten großen Zensurvorfall in der österreichischen Kulturlandschaft innerhalb von zwei Jahren? Werden die Vorfälle Innovationstopf 2010 und TKI Open 12 weiter Schule machen? Warum hat der zivilgesellschaftliche Protest in beiden Fällen nicht gereicht, um die Entscheidungen rückgängig zu machen? Die Tiroler Kulturrätin verkündete, dass nicht alles, „was Kunst zu sein beansprucht, auch gefördert werden kann. Die Entscheidung darüber ist gerade aus demokratiepolitischen Gründen der Politik vorenthalten, auch wenn Expertinnen und Experten anderer Meinung sind.“ Ist die demokratische Kulturförderung damit am Ende, wenn die Freiheit der „unabhängigen“ Jurys dort endet, wo die politischen Referentinnen die Linie ziehen?
Nein, natürlich nicht. Fördersysteme wie TKI Open, LINZ imPULS oder KUPF Innovationstopf werden zurecht auch international als innovative Erfolgsmodelle gesehen. Allerdings hat die Kulturszene in der Vergangenheit zu sehr auf die Handschlagqualität der Politik vertraut. Die genannten Beispiele sind im unterschiedlichen Maße vertraglich geregelt, alle drei sehen lediglich ein Vorschlagsrecht der Jury an die politischen Referentinnen vor. Um politische Einflussnahme in Zukunft zu verhindern, braucht es klare und strikte Regeln. Die drei wichtigsten werden lauten:
1. Die Auswahl des Themas geschieht ausschließlich durch die Trägerorganisation.
2. Die Auswahl der Jury bleibt der Trägerorganisation überlassen, die Gebietskörperschaft hat lediglich einen Beobachtungsstatus.
3. Die Auswahl der Projekte bleibt der Jury überlassen und ist rechtlich bindend.
Darüber hinaus ist natürlich für eine möglichst transparente und demokratische Abwicklung zu sorgen, durch offene Jurysitzungen oder auch offene Themen- und Jurywahlen wie es beim Linzer Impulstopf seit Jahren erfolgreich praktiziert wird. Nur wenn es gelingt, diese Eckpunkte vertraglich zu vereinbaren, kann in Zukunft Zensur und Einflussnahme ausgeschlossen werden. Und eines ist klar: Die Zukunft der Demokratie wird mehr und mehr solche und ähnliche Fördermodelle hervorbringen. Unter dem Begriff Bürgerinnenhaushalte lassen alleine in Deutschland schon mehr als 100 Kommunen ihre Bürgerinnen über Teile der Mittelvergabe direkt mitbestimmen. Damit das in Österreich auch funktioniert, müssen aber wohl einige Politikerinnen noch ein paar Stunden Demokratieunterricht nachholen.
tki.at