Anna Weidenholzer spaziert gern den Donaukanal entlang.
Die Biber müssen schöne Tiere mit hässlichen Zähnen sein, die Biber müssen fleißig sein. Ich habe die Biber noch nicht gesehen, aber ich komme mehrmals in der Woche an ihrer Stelle vorbei, dort, wo seit Monaten ein Unterhemd in den Büschen hängt, das von Woche zu Woche schmutziger wird, dort, wo die Biber die Bäume angenagt und gefällt haben. Biberstelle, nenne ich sie. Biberburg, Biberberater, Biberröhren, Bibermanagement, die Suchmaschine verrät schöne Biberworte.
Die Biberstelle ist nicht weit entfernt von dort, wo die Rotundenbrücke den Donaukanal überspannt. Die Straßenbahnlinie 1 überquert sie, die dann bald bei ihrer Endhaltestelle im Prater ankommt. An manchen Tagen werfen Kinder von der Brücke Steine auf die Enten, die darunter schwimmen. Die Schnäbel der Enten sind im Winter dunkler, wie die Nasen der Katzen, wenn sie aus der Kälte kommen. Der Donaukanal ist ein Donauarm, er verlässt die Donau bei Nussdorf, um beim Praterspitz wieder zu ihr zu treffen. In meinen ersten Jahren in Wien habe ich den Donaukanal nicht als Fluss, sondern als Kanal wahrgenommen.
Ich bin eine Spaziergängerin. Spazieren bedeutet, einen Schritt vor den anderen zu setzen, die Arme dazu bewegen, die Füße den Körper tragen zu lassen, alles andere bestimmt die Umgebung. Spazieren bedeutet, mit wachen oder müden Augen durch die Welt zu gehen. Ich gehe mehrmals die Woche den Donauarm entlang. Stromabwärts habe ich ihn als Fluss kennengelernt, dort, wo Büsche und Bäume am Ufer wachsen und Enten bei kalten Temperaturen auf Eisschollen sitzen, wo Biber Bäume fällen und Magistratsbedienstete Bäume mit Drahtgittern vor Biberverbiss schützen.
in Stück stromabwärts mündet der Donauarm wieder in den großen Fluss. Die Donau ist ein Wort aus dem Mund eines Kindes, die Donau ist eine Jugend am Fluss, die Donau ist ein Spaziergang bei kaltem Wind, bei warmen Sonnenstrahlen. Unablässig schiebt sie sich durch Europa, durchquert Orte und Städte, verbindet Linz mit Wien, mit Bratislava, Budapest, Vukovar, mit Novi Sad, Belgrad, Russe, Ismajil. An der Donau leben so viele Menschen wie in ganz Österreich. Die Donau trennt nicht, sie verbindet, denke ich, wenn ich meinen Donauarm entlang gehe. Die Donau ist ein guter Fluss voller Möglichkeiten.
Anna Weidenholzer ist Autorin, lebt und arbeitet in Wien und Linz.