Mit dem Bündnis gegen Rechtsruck wurde in Wels für Wels ein Exempel statuiert. Peter Schernhuber
Nichts ist, wie es einmal war – am Sonntag, 27. September kam die FP in Wels auf beinahe 30% der Stimmen. Dieser massive Rechtsruck löst eine Dynamik aus, die zuvor kaum vorstellbar gewesen wäre. Knapp vierzig Minuten nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses mobilisierten sich mehr als hundert Menschen, um spontan ihren Unmut Ausdruck zu verleihen. Junge Welserinnen klebten ein Banner mit der Aufschrift ‚Wehret den Anfängen’ über das Tor des Rathauses. Bereits an diesem Abend wurde enormes Potential, ausgelöst durch massiven Druck von Außen, sichtbar: der Gewinn der FP als Dynamisierungsfaktor einer kritischen Bewegung.
Dutzende Jugendliche blockierten die Straße. Als schließlich die Polizei eintraf, wurden einige vermeintliche »Gruppenführerinnen« herausgegriffen. Einige Wochen später sollten sie Anzeigen erhalten, für die das Bündnis aufkam. Die Polizei verweigerte sich, eine Gruppe als kollektives, widerspenstiges Subjekt zu denken und versuchte energisch, Führungspersonen auszumachen. Kurz darauf folgte die Frage, wer den Aufruf über Facebook verbreitet hatte: Wenn Eigentum an Information an seine Grenzen stößt – der Subtext war, wer die Verantwortung für die Demonstration übernehmen könnte. Immanent eingeschrieben schien die Feststellung, dass der Cyberspace zum Wirkungsbereich der Welser Exekutive gehöre.
Aus dieser ersten Reaktion resultierte tags darauf das Bündnis gegen Rechtsruck, dem sich binnen weniger Tage zahlreiche Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen anschlossen. In nur drei Tagen gelang es, über tausend Personen in einer Facebook-Gruppe zu bündeln. Ebendort entstand eine multiperspektivische Collage aus Informationen und Diskussionsbeiträgen, die von Userinnen kommentiert wurden, ohne vorangegangene Meinungen und Informationen zu überschreiben. Ein zentrales Verdienst des Bündnis’ war die Etablierung postideologischer Bürgerinnenpartizipation mit den Mitteln des Web 2.0 in Wels. In einem ersten Plenum wurde festgehalten, dass die Verhinderung eines FP Bürgermeisters zwar im Fokus steht, dies aber im Zusammenhang des Rechtsrucks zu denken sei. Am Samstag vor der Stichwahl wurden die größte Demonstration für ein weltoffenes Wels seit Jahren und ein großartiges Konzert organisiert.
Das Wahlergebnis ist als schockierender Befund eines Stimmungs-EKGs politischer Strömungen zu verstehen, die sich schon zuvor abzeichneten hatten. Die politischen Absichten der FPÖ waren lange hin bekannt und äußerten sich im Bereich der Kulturpolitik zum Beispiel darin, dass FP-Kandidat Wieser ein Kunstprojekt im Medien Kultur Haus mit Müll gleichsetzte und es ihm dabei nicht um einen künstlerisch, ästhetischen Diskurs ging, sondern er vielmehr auf einen Kunstbegriff rekurrierte, der sich ganz leicht mit einem äußerst dubiosen Begriff der Sauberkeit verschränken lässt. Auch massive Versäumnisse der anderen Parteien spielten der FP in die Hände. Für Kulturarbeit, die sich als im Alltag entstehend und ebendort mündend denkt, war die Teilnahme am Bündnis daher eine logische Konsequenz. Der Kulturbeirat Wels war hingegen auch dann zu keiner öffentlichen Stellungnahme fähig, als die FPÖ mit Subventionsentzug für die am Bündnis beteiligte vermeintliche Magistratseinrichtungen drohte (ohne dabei zu erkennen, dass es sich bei einem Großteil der Institutionen um unabhängige Kulturvereine handle). Das Bündnis gegen den Welser Rechtsruck war in seiner Größe eine temporäre Reaktion auf ein konkretes Ereignis; dennoch erzeugte die Erhebung eines Status Quo auch innerhalb der Kulturszene eine neue Produktivität und neues Potential. Die Erwartung, ein Bündnis als dauerhafte Institution zu denken, wäre per se nicht unproblematisch, würde doch so der Kleinste-Gemeinsame-Nenner zur identitätsstiftenden Grundgrammatik eines Bündnisses werden, das dann relativ rasch Gefahr läuft, als träger Organisationsapparat zu enden.
Die Chance besteht viel eher darin, temporär gemeinsame Interessen verdichtet zu artikulieren. Nach einer Definition des Status Quo wurde auch deutlich, mit wem hinkünftig Allianzen zu machen sein werden. Es drängt sich eine Wahlverwandtschaft zwischen Bündnispolitik und temporärer Architektur auf, da beide ihr Potential nur durch den Druck des Ablaufdatums, der Dynamisierung der Zeit, entwickeln können. Ihr Eingriff in Vorhandenes verschiebt Vorzeichen und entwickelt eine neue Politik der Wahrnehmung und Wahrheit – zurück bleiben ein veränderter Raum und das Wissen, dass Solidarität mehr als nur ein Wort ist.
Peter Schernhuber lebt in Wien/Wels, Studierender und Kulturarbeiter im Medien Kultur Haus Wels, u.a.